Immer wieder wird die Forderung gestellt: Anthroposophen sollen sich von ihrem „Guru“ Rudolf Steiner distanzieren und eine säkularisierte und „klinisch-reine Anthroposophie 2.0“ ohne Rückgriff auf ihn schaffen.
Sicher gibt es aus heutiger Sicht gute Gründe, sich von einigen wenigen Äußerungen von Rudolf Steiner zu distanzieren. Und dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein, Steiner selbst forderte ja mehrfach, man solle ihm nicht blind folgen.
Eine kritische Auseinandersetzung mit Steiners Ideen erfordert jedoch nicht per se eine Distanzierung von der Person und seinem Werk, sondern eine ernsthafte und faire Untersuchung von Steiners philosophischen Gedanken und Intentionen. Und warum sollte man sich dann, sofern man aufgrund dieser Auseinandersetzung zum Schluss kommt, bestimmte Einsichten Steiners seien bedeutend und für das Verständnis der Welt erhellend, von deren Urheber distanzieren? Das wäre intellektuell geradezu unredlich.
Was jedoch in Zukunft ein entspanntes und undogmatisches Verhältnis zur Person Steiners und seinem Werk – sowohl von Anhängern als auch Gegnern – auszeichnen könnte, wäre ein differenzierter Blick auf vielfältige und unterschiedlich zu gewichtende Ideen in Steiners Werk.
—
Matthias Niedermann