Es gibt bei Steiner keinen Rassismus im Sinne der historischen Forschung, keine systematisch vertretene „Rassenlehre“ und keine Ideologie eines „Rassenkampfes“, insbesondere nicht als Theorie und Handlungsanweisung für die moderne bzw. gegenwärtige Menschheit.
Indessen finden sich in Steiners Werk vereinzelte diskriminierende und einige wenige rassistische Äußerungen, die eindeutig als historisch überholt eingeordnet werden müssen. Sie sind historisch dadurch erklärbar, dass sich Steiner in einer Zeit von Kolonialismus und Eurozentrismus an einem teilweise rassistisch gefärbten Diskurs zu Fragen der Evolution des Menschen beteiligte.
Einer singulären antisemitischen Äußerung aus dem Jahr 1888 steht Steiners öffentliches Eintreten gegen den Antisemitismus in der Zeit um die Jahrhundertwende gegenüber. Auch darüber hinaus sind jedoch in manchen seiner Vorträge antijudaistische Züge enthalten
Steiner hat aus heutiger Sicht nicht immer ein deutliches methodisches Bewusstsein der Problematik gezeigt, die darin liegt, Entwicklungsmöglichkeiten von Kultur und Bewusstsein an biologische Merkmale gekoppelt zu denken. So entstehen teilweise Denkfiguren kollektiver Diskriminierung durch Dekadenzzuschreibungen. Andererseits kritisierte Steiner die rein biologistische Einengung des Entwicklungsdenkens und setzte auf die Entwicklung des Individuums unabhängig von kollektiven Abhängigkeiten.
Grundsätzlich spielt das Thema der Rassen weder quantitativ noch qualitativ für das Ideengebäude der Anthroposophie eine Rolle. Das heißt, auf Tausenden von Buchseiten und in Hunderten von Vorträgen zu spirituellen, religiösen, pädagogischen, medizinischen oder politischen Fragen kommt das Thema „Rasse“ überhaupt nicht vor. Weder in der anthroposophischen Literatur der Gegenwart noch etwa in Lehrplänen für Waldorfschulen finden sich Äußerungen wie die hier untersuchten. Die weltweiten sozialen Initiativen auf anthroposophischer Grundlage u.a. auch in Südafrika und Namibia, auf den Philippinen, in Ägypten und in Israel wären auf der Basis einer rassistischen Ideologie nicht plausibel.
Der Gesamtduktus von Steiners Werk betont immer wieder die universalistische Entwicklung der einen, zusammengehörenden Menschheit ohne Rücksicht auf Unterschiede ethnischer, nationaler oder religiöser Herkunft. Mit seinem Ansatz der sozialen Dreigliederung wollte Steiner seinerzeit einen gesellschaftlichen Rahmen schaffen, in dem sich alle Individuen gleichberechtigt und unter Schutz ihrer angestammten kulturellen Eigenheiten frei entfalten können. Diese Ideen stimmen dem Geiste nach auch heute noch mit wesentlichen Errungenschaften der neueren Zeit wie der Erklärung der Menschenrechte und modernen Gesetzen gegen Diskriminierung und für Gleichbehandlung überein.