»Ich bestreite seine grandiosen Schlussfolgerungen«
Udi Levy im Gespräch mit Israel Koren. Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Zeitschrift "DieDrei", Ausgabe März/April 2021.
Das über tausend Seiten starke, zweibändige Werk ›Judentum und Anthroposophie – Alte Streitigkeiten in neuem Gewand‹ (Tel Aviv 2019) von Israel Koren enthält eine tiefgreifende Darstellung und Kritik der Anthroposophie aus der Sicht eines jüdischen Religionswissenschaftlers, der diese aus innerer Erfahrung und durch gründliche Ausbildung kennt. Das folgende Gespräch erschien zuerst in der israelischen Zeitschrift für Waldorfpädagogik und Anthroposophie ›Adam Olam‹ Nr. 69 vom September 2020. Es wurde von Udi Levy geführt und auch von ihm aus dem Hebräischen übersetzt.
Udi Levy: Du hast am Emerson College in Großbritannien studiert, kennst also die Anthroposophie »von innen« heraus. Beim Lesen deines Buchs wehten mir zwei ineinander verwirbelte Winde entgegen: ein erstaunlich gründlicher Sachverstand in Bezug auf Steiners Werk und eine Kritik ihm gegenüber, auch ein leichter Hauch des Schmerzes und des Zorns. Könntest du etwas über deinen biografischen Werdegang als Forscher der Judaistik und über den Raum sagen, den die Anthroposophie darin einnimmt?
Israel Koren: Das Buch wurde wirklich aus einer stürmischen Seelenverfassung heraus geschrieben. Ich bin nicht sicher, ob es sich um Zorn handelt. Meine Kritik jedenfalls bezog sich nicht nur auf Steiner selbst, sondern auch auf seine Nachfolger und Anhänger. Ich habe ein Problem mit törichter Anhängerschaft. Ungeduld. Die typischen Charakteristika der Anhängerschaft an und für sich schätze ich – Anhängerschaft als Hingabe, als Wohltätigkeit, als Bereitschaft zu außerordentlichem Einsatz. Aber wenn der Anhänger meint, er sei weise, obwohl er es nicht ist, und diese Kombination kann es natürlich geben, dann fängt es an, mich zu stören.
Da ich die Anthroposophie systematisch kennenlernte, bevor ich das Studium der Judaistik begann, hat mich natürlich der Vergleich zwischen beiden interessiert, das ergab sich wie von selbst. So ein Vergleich kann interessant und befruchtend sein, wenn er ungezwungen stattfindet. Dieser Weg brachte dann eine allmähliche Entfernung von Steiners Lehre mit sich. Ich habe für mich persönlich bemerkt, dass die jüdischen Quellen mich stärker ansprechen. Steiners Behauptungen, dass das Judentum seine Mission beendet habe, wie auch seine Auslegung der Hebräischen Bibel und des Judentums als Ganzem erschienen mir unzutreffend. Heute glaube ich, dass das Judentum tiefer ist – im philosophischen und im metaphysischen Sinne – als Steiners Lehre. Und das ist ein nicht nur persönliches Argument.
Und noch als Nebenbemerkung: Ich betrachte mich nicht so sehr als Erforscher des Judentums. Eher stütze ich mich auf die Inhalte der Judaistik und ihrer Methoden als Weg zur Prüfung bestimmter Themen und zur Selbstentwicklung. Außerdem beschäftige ich mich mit dem wissenschaftlichen Schreiben.
Udi Levy: Unserer Korrespondenz und Gesprächen mit dir habe ich entnommen, dass die mystische Erfahrung dir keineswegs fremd ist. Du beschäftigst dich mit dem zeitgenössischen Judentum sowie den Quellen der Kabbala und des Chassidismus. Gibt es eine Vergleichsmöglichkeit zwischen dem mystischen Pfad der Anthroposophie und ähnlichen Strömungen im Judentum? Welches sind die wesentlichen Unterschiede? Welche Rolle haben im mystischen Judentum die Wesenheiten, die zwischen dem Menschen und dem himmlischen Thron leben, und welche in der pantheistischen Welt Steiners?
Israel Koren: Es besteht durchaus eine Vergleichsmöglichkeit, obwohl sie sich letztlich (oder anfänglich) gegenseitig untergraben. Vom Aspekt der Nähe her gesehen kann man Steiners Lehre als eine Art der »Gnosis« bezeichnen, als »Erkenntnis der höheren Welten«, als ein besonderes Wissen, das erlebbar wird, indem die Geisteswelt sich dem Menschen offenbart. Und Gershom Sholem, der bekannte Erforscher der Kabbala, nannte diese die »jüdische Gnosis«. Ich stimme dieser Definition zu. Das heißt, die Kabbala ist eine Lehre, die sich mit Offenbarungssituationen (der individuellen Offenbarung) befasst. Darüber hinaus gibt es jedoch im mystischen Judentum auch eine Bezugnahme auf Gott jenseits des menschlichen Fassungsvermögens. Am Ende (oder am Anfang) stellt im Judentum der eine und einzige Gott den maßgeblichen Faktor dar, nicht die Wesenheiten der Geisteswelten. Diese sind auch nicht die letzte Ursache der geschaffenen Wirklichkeit, sie sind Diener, Vollstrecker. Für Steiner hingegen ist das Wirken der Geistwesenheiten, als Notwendigkeit ihrer Entwicklung, die Ursache der Schöpfung.
Was nun diese zwischen Mensch und Hohem Thron lebenden Wesenheiten betrifft: Auch in der Kabbala und im Chassidismus (und allgemein im Judentum) haben diese ihren Platz. Sie werden verstanden als Teil von Systemen, die zwischen dem höchsten Gott und dieser Welt vermitteln. Sie sind Offenbarungen des absoluten Gottes, sind jedoch nicht dieser selbst. Es sollte erwähnt werden, dass nach Steiner die verschiedenen Geistwesenheiten ewig sind, in der Kabbala hingegen wurden sie erschaffen, wie die Menschen. Auch die Geisteswelten wurden erschaffen, nur Gott selbst ist ewig. Wie gesagt, die Beschäftigung mit den Engeln – den »geistigen Wesenheiten« in Steiners Sprache – ist im Chassidismus und in der Kabbala durchaus präsent, aber diese bleiben sekundär. Die Hauptthemen der Kabbala sind die Welten über dieser Welt, insbesondere die Welt der Emanation und der Sefirot, die Welt der geistigen Fülle und der geistigen Kräfte. Diese stammen aus dem Gott als Schöpfer, und ihr Erscheinen ist nicht identisch mit der göttlichen Selbstheit, seiner Identität. Der wichtige Unterschied liegt also in der Frage nach der Existenz der Gottheit jenseits der Geisteswelten. Steiner bestritt bekanntlich jegliche Gottheit bzw. Realität jenseits der Geisteswelten und deren Wesenheiten – denen, die sich dem Hellsehen offenbaren.
Eine mehr immanente Lehre
Ich zitiere Steiner in meinem Buch in dem Abschnitt ›Die Absurdität des Glaubens an einen Gott‹ beispielsweise wie folgt: »Denken Sie sich: Es gibt zwei Völker, die führen miteinander Krieg; jedes erkennt den einen Gott an, und eines von diesen Völkern kann nur siegen. Das siegende Volk, das sagt: Unser Gott hat uns siegen lassen. – Hätte das andere Volk gesiegt, so hätte das auch gesagt: Unser Gott hat uns siegen lassen. Aber wenn es der eine Gott ist, der das eine Volk siegen läßt und das andere Volk besiegen läßt, so ist es ja der Gott selber, der sich besiegt! Also wenn die Türken ihren Gott haben und die Christen ihren Gott, und beide Völker den einen Gott haben, und das eine Volk bittet: Der eine Gott möge uns den Sieg bringen –, und das andere Volk betet: Der eine Gott möge uns den Sieg bringen –, so verlangen sie ja beide von demselben Gott, daß er sich selber besiegt! Man muß sich klar sein: Da handelt es sich nicht um ein einziges geistiges Wesen.«[1]
Das ist eben nicht nur eine theoretische Frage, ob es an der Spitze des Systems nur einen einzigen Gott gibt oder nicht. Die Antwort darauf kann auch Konsequenzen haben, was die individuelle Erfahrung der spirituellen Person betrifft. Diese grundlegende Frage kann die gesamte spirituelle Perspektive und die mit ihr verbundenen Inhalte bestimmen. In einfachen Worten: Ich glaube nicht, dass das, was ein jüdischer Mystiker sieht, identisch ist mit dem, was ein anthroposophischer Mystiker sieht.
Noch ein Beispiel: Über eine Tatsache lässt sich nicht diskutieren, nämlich die Frage des christlichen Messias. Nach Steiner definiert diese Wesenheit die gesamte Evolution, und ohne sie gibt es für die Menschheit keine Zukunft und keine Erlösung. Dem entgegen steht eine Aussage des Baal Shem Tov[2], der christliche Messias sei nur die Schale des echten Messias. Wer soll da entscheiden?
Meinem Verständnis nach ist Steiners Lehre immanenter, »irdischer« als die Kabbala und auch die Lehre des Chassidismus, die eine Fortsetzung der Kabbala ist, obwohl sich Teile ihrer Prinzipien eher der irdischen Welt zuwenden (z.B. das Ideal der Arbeit in der materiellen Welt oder des Gottesdienstes im Alltagsleben). Steiners Lehre ist hauptsächlich in der Ätherwelt verortet, die nahe dieser Welt ist, und von ihr aus breitet sie sich nach unten, also in diese Welt, und in einige Horizonte darüber aus. Auch Steiners Prinzip des spirituellen Denkens (als Gegensatz zum abstrakten Denken) hängt mit der Ätherwelt zusammen. In der Kabbala dagegen – etwa im Buch ›Zohar‹ und in der Kabbala des Rabbi Moses Cordovero aus dem 16. Jh. – wird vor allem auf die Welt der Emanation Bezug genommen, auf die Sühne und den Fortbestand der Gnade und des Lichtes, das aus dieser geistigen Welt in unsere scheint.
Ich glaube, dass jede Lehre unter diesem Gesichtspunkt der »Höhe« ihrer Verortung gewisse Vor und Nachteile hat. Eine mehr immanente Lehre wie die Steiners hat den Nachteil, dass ihr Ursprung nicht in den höchsten Ebenen der geistigen Realität liegt, jedenfalls meinem Verständnis nach. Sie ist eher mit dem Diesseits verbunden, und ihr Vorteil ist die relativ leichte Erreichbarkeit. Ich meine, dass es ziemlich schnell möglich ist, die geistige »Energie«, die mit einem solchen Weg verbunden ist, zu spüren, und diese hat mit den schöpferischen Kräften zu tun. Demgegenüber besteht der Vorteil der Kabbala in ihrem höheren Ursprung, so glaube ich, und ihr Nachteil liegt in der schwierigen Erreichbarkeit, in dem Problem, auf jene Ebene zu gelangen, auf der sie ihren Grund hat, und ihre Inhalte sind auch sehr kompliziert.
Geistiger Rückenwind
Ich erwähnte schon, dass das Thema der Geisteswesen in der Kabbala und im Chassidismus nicht so zentral ist, dennoch stellen die Seelen (Neshamah) jener Gerechten, die schon verstorben sind, durchaus einen Orientierungspunkt dar. Über das Verhältnis zwischen den verschiedenen Engeln (den Geisteswesen) und den Seelen der Menschen überhaupt sowie denen der Gerechten im Besonderen, bemerkte Rabbi Yizchak ben Schlomo Luria3, der Ursprung der Engel liege im Äußeren der Welten und jener der Seelen der Menschen und besonders der Gerechten im Inneren der Welten (wobei das Äußere dem Inneren untergeordnet ist). Die Hauptwelt der Engel ist die Welt der Ausgestaltungen (Jezira), obwohl es solche auch in den Welten der Schöpfung (Bri’ah) und der Emanation (Azilut) gibt. Die Geistseelen der Gerechten haben ihren Ursprung in der Welt der Emanation. Das ist ein sehr interessanter Aspekt! Den Begriffen der Kabbala nach ist der Hohe Thron die Welt der Schöpfung, auf der die Welt der Emanation »sitzt«, auf dieser wiederum »sitzt« Adam Kadmon (der »Urmensch«) und über ihm erstreckt sich das Licht der Unendlichkeit. Und wiederum darüber befindet sich die göttliche Selbstheit.
Also, meiner Meinung nach ist Steiners Lehre immanenter, näher der Erde, im Vergleich zu Kabbala und Chassidismus. Es ist daher verständlich, warum die meisten Seelen, die sich zu ihr hingezogen fühlen, es schwer haben, in Geisteshöhen abzuheben. Es kann sein, dass der »Hebel« dieser Lehre, der christliche Messias inbegriffen, nicht stark genug ist, oder vielleicht sind diese Seelen dazu bestimmt, mehr auf der Erde zu leben und dort etwas vom Geist zu spüren – von ihm Rückenwind zu erhalten.
Udi Levy: Der Pfad zur mystischen Erfahrung ist nach Steiner in erster Linie ein Pfad der bewussten Erkenntnis. Die anthroposophische Christologie beschäftigt sich neben der mystischen Erfahrung mit einer messianischen Erfahrung persönlicher Art, die auch soziale Aspekte hat, weil sie das individuelle Verhalten beeinflusst. Im Judentum – abgesehen von wenigen Beispielen wie dem Brief des Baal Schem Tov vom September 1746 – wird die Erscheinung des Messias als ein allgemeines, öffentliches Ereignis beschrieben. Welche Bezugnahmen zum Kommen des Messias befindet sich in den jüdischen mystischen Traditionen? Gibt es da Parallelen zu den Äußerungen Steiners?
Israel Koren: Die messianische Wesenheit ist zentral im Christentum, ohne sie gibt es das Christentum nicht, und tatsächlich soll sie in Steiners Lehre zu einer persönlichen Erfahrung werden, zu einer mystischen Kommunikation bzw. Kommunion mit dem christlichen Messias. So ist es im Judentum nicht, bei aller Bedeutung des messianischen Themas. Doch es gibt in der jüdischen Welt durchaus »messianische Gestalten« und messianische Bestrebungen, d.h. das Kommen des Messias ist nicht nur eine kollektive, öffentliche Angelegenheit, die in der Zukunft verortet wird, sondern es ist auch gegenwärtig, persönlich und intim – so in der Kabbala und im Chassidismus, nicht nur in dem erwähnten Brief, der »das Heilige Sendschreiben« genannt wird. Messianische Gestalten können auch Persönlichkeiten sein, die das messianische Ideal allgemein befördern, oder Menschen, die glaubten, sie seien selbst der Messias oder hätten es sein können. Ich möchte erwähnen, dass in der Kabbala der Messias selbst eine geistige Substanz der Stufe »Licht des Lebens« (Licht der Sefira der Weisheit) ist oder der Stufe des »Lichts der Einzigartigkeit« (Licht der Sefira des Throns), die sich an einem bestimmten Zeitpunkt über einen bestimmten Menschen senkt. In diesen kabbalistischchassidischen Quellen ist der Messias keine wirkliche Person, sondern eine Substanz und eine Stufe der Erleuchtung.
Udi Levy: In einem früheren Gespräch sagtest du, du hättest bei Steiner eine »Störung« beim Eintreten in die geistige Welt festgestellt. Kannst du das näher erläutern? Kennst du Erfahrungen dieser Art, die man als frei von jeglicher Störung identifizieren kann? Auch die wissenschaftliche Forschung ist nicht frei von gewundenen Pfaden, die irren und verwirren. Wenn Steiner sich an bestimmten Stellen irrt, ist das ein Zeichen mangelnder Verlässlichkeit?
Israel Koren: Für die Kabbalisten ist die Welt, in der wir leben, »die Welt der Lüge«, weil in ihr mehr Lüge als Wahrheit herrscht. Deshalb sind Fehler und Störungen unser täglich Brot. Sicher gibt es auch in der Wissenschaft Fehler und Störungen, und ebensowenig kann ich sagen, dass es in der Kabbala und im Chassidismus keine Fehler und Störungen gibt. Was Steiner betrifft, waren die Störungen meinem Verständnis nach prinzipiell bereits vor seinen geistigen Erfahrungen vorhanden. Das heißt, er ist in die metaphysische Sphäre bereits mit gewissen Störungen eingetreten. Diese Störungen waren, so denke ich, psychologischer oder metapsychologischer Art, und das Resultat ist, dass es sich bei ihm um eine obsessive Person handelt, die anderen ihre Wahrheiten aufdrängt. Bescheidenheit war nicht seine starke Seite. Seiner Auffassung nach wusste er alles (oder konnte alles wissen) und irrte sich nie, obwohl er die generelle Gefahr des SichIrrens wohl kannte.
Von höherer Ebene aus
Ich habe durchaus Zweifel, was Steiners Selbsteinschätzung betrifft. Das alles heißt nicht, dass er kein großer Okkultist war. Deshalb liegt das Problem nicht in seinen geistigen Erfahrungen an sich, und ich behaupte auch nicht, dass es sich dabei um Betrug oder um Illusionen handelt, sondern es geht um die Auslegungen, die er mit ihnen verband. In Steiners Begriffen gesprochen: Das Problem liegt nicht in seinen Wahrnehmungen, sondern in deren Inhalt, in seinen Begriffen, die sozusagen immer objektiv sind. Ich bestreite nicht seine Wahrnehmungen – ich bestreite seine grandiosen Schlussfolgerungen. Zum Beispiel: Wie kann ein Mensch (allein schon prinzipiell) behaupten, dass das menschliche Bewusstsein keine Grenzen hat? Wie kann er das überhaupt wissen?
Udi Levy: Für wen hast du dieses Buch verfasst? Gab es innerhalb und außerhalb anthroposophischer Kreise Reaktionen darauf? Gibt es Dinge, die du heute anders formulieren oder entsprechend der Reaktionen ändern würdest?
Israel Koren: Das Buch wendet sich in erster Linie an eine Öffentlichkeit, die Steiners Lehre kennenlernen will, nicht über die Vermittlung durch Anthroposophen, sondern durch eine kritische Optik, die sich mit Schwierigkeiten auseinandersetzt. Es ist aber auch an unorthodoxe Anthroposophen gerichtet. Was die orthodoxen betrifft, befürchte ich, dass die Partie verloren ist, dennoch glaube ich an Wunder. Ich bekam nur wenige Reaktionen. Ein Anthroposoph, den ich respektiere, sagte zu mir, dass er nichts von meiner Kritik an Steiner annehme. Das ist nach meiner Meinung eine besorgniserregende Reaktion! Dahinter steckt ein ernstes Verständnisproblem, ein Problem, das auch auf die Qualität der Waldorfpädagogik ausstrahlt.
Leider ist das Buch ist in den israelischen Medien nicht beachtet worden. In Europa ist die Lage anders. Es hat dort schon öffentliche Diskurse über Steiners Lehre gegeben und die Öffentlichkeit hat Zugang zu verschiedenen Meinungen. In Israel ist die Gesellschaft überwiegend nicht sehr gebildet in Bezug auf philosophische oder kulturelle Diskurse.
Ich habe selbst noch keinen Abstand vom Buch gewonnen (und ich weiß nicht, ob und wann das geschehen wird). Ich würde heute nichts verändern wollen. Aber ich weiß, dass ich mit manchen Themen an die Grenze meiner Darstellungsfähigkeit gekommen bin und dass ich nicht genügende allgemeine Kenntnisse habe, z.B. der Christologie oder der Geschichte des Antisemitismus. Außerdem hoffe ich in der Zukunft auf die Inhalte des Buchs von einer spirituell höheren Warte aus blicken können – mehr von einer höheren geistigen Erkenntnisebene aus, im metaphysischen Sinne.
Dr. Israel Koren studierte 1983-86 am Emerson College und ist diplomierter Waldorflehrer. Danach studierte er Judaistik und Bibelkunde an der Universität Haifa und der Hebräischen Universität in Jerusalem. Er war Lehrer für Judaistik und Bibelkunde an der ›Leo Baeck Schule‹ in Haifa und ist seit 1997 Dozent für Judaistik an der pädagogischen Fachhochschule ›Oranim‹ in KiryatTivon. Außerdem unterrichtete er an der University of Memphis, am Queens College in New York, an der Yale Universität und an der Universität Potsdam. Er veröffentlichte eine Studie über Mystik und Chassidismus in Martin Bubers Werk (2005, engl. Übers. 2010) und ein judaistisches Lehrbuch für Oberstufenschüler über ›Die Glaubenskrise in der Moderne‹. Seit 2004 beschäftigt er sich mit der Kabbala mit Schwerpunkt auf das Buch ›Zohar‹, die Kabbala des Rabbi Yizchak ben Schlomo Aschkenasi Luria und die des Rabbi Haim Mosche Chaim Luzzato. In den letzten Jahren vertiefte er sich in die Lehre des Rabbi Mordechai Josef Leiner und die seines Schülers Rabbi Zadok HaKohen, zwei Vertreter des polnischen Chassidismus im 19. Jahrhundert.
[1] Vortrag vom 8. Mai 1924 in Rudolf Steiner: ›Die Geschichte der Menschheit und die Weltanschauungen der Kulturvölker‹ (GA 353), Dornach 1988, S. 197f
[2] Rabbi Israel ben Eliezer, genannt Baal Schem Tov, (1700–1760) war der Begründer des Chassidismus. 3 Rabbi Jizchak ben Schlomo Luria (1534–1572) war einer der bedeutendsten Kabbalisten.