Postkolonialismus im 21. Jahrhundert
Ideologie und Fakten - Teil I. Ein Beitrag aus der Zeitschrift DieDrei, Ausgabe 2024/3.
In einem Artikel der ›Erziehungskunst‹ vom November 2022 forderten Albert Schmelzer und Martyn Rawson einen Umbau des Waldorflehrplans mit postkolonialen Anteilen.[1] Dies betrifft auch den Geschichtsunterricht. Dort werden bisher die großen historischen Entwicklungen von den »Ältesten Zeiten« über Antike, Mittelalter und Neuzeit bis zur Gegenwart in Überblicksepochen behandelt. Dabei liegt der Fokus im Wesentlichen auf Europa. Die deutschen Waldorfschulen, so Schmelzer und Rawson weiter, seien »strukturell rassistisch«[2]]und spiegelten in ihren Lehrplänen nicht eine durch Migration veränderte Bevölkerung. Bijan Kafi reagierte daraufhin mit einem Artikel in DIE DREI (3/2023), in dem er darlegte, dass der von Schmelzer und Rawson geforderte (ideologische) Antirassismus mit einer freiheitsorientierten Waldorfpädagogik unvereinbar sei.[3] Darauf antwortete Frank Steinwachs (4/2023), der u.a. darlegte, dass sich die neue und diversere Demografie in den Klassenzimmern zeige, weshalb Bijan Kafis Kritik nicht die Realität des schulischen Alltags treffe.[4] Beiträge von Johannes Kiersch, Ralf Sonnenberg, Michael Debus und Salvatore Lavecchia ergänzten die Debatte, mit der Tendenz, an pädagogisch wirksamen Elementen der Waldorfpädagogik festzuhalten.[5]
Mein Beitrag versteht sich vor diesem Hintergrund als Nachfrage. Denn im 21. Jahrhundert hat der Postkolonialismus – vorsichtig formuliert – doch viel von seinem emanzipatorischen Impuls eingebüßt. Wir leben in einer veränderten Welt, in der auch ein aufstrebender »Globaler Süden«[6] von Rassismus und Rechtsextremismus heimgesucht wird; teilweise in politischen Bewegungen, die mit dem Postkolonialismus verbunden sind. Der Angriff der Hamas auf Israel wäre hier nur ein Beispiel. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen: mit der Machtübernahme der rechtsextremen ›Bharatiya Janata Party‹ (BJP) in Indien 2014, dem Aufkommen der Ultra-Buddhisten um Ashin Wirathu (›969 Movement‹) in Myanmar oder – etwas weniger bedrohlich, aber doch destruktiv genug – mit der antisemitisch tingierten Kunst der indonesischen Gruppe ›Taring Padi‹ auf der ›documenta fifteen‹ im Jahre 2022. Bis vor Kurzem haben die Diskurse des westlichen Nordens solche Symptome jedoch kaum in ernsthafter Weise aufgenommen. Es scheint folglich angemessen, diese und andere verstörende Aspekte genauer zu betrachten und zu hinterfragen. Denn sie passen partout nicht zum Bild des »Globalen Südens« der Postkolonialen Theorie, welche in die Waldorfpädagogik integriert werden soll.
Das kollektive Gedächtnis erodiert
Beginnen möchte ich jedoch bei Frank Steinwachs‘ zutreffender Beobachtung, dass sich die veränderte Herkunft vor allem der jüngeren Alterskohorten im Klassenzimmer zeige. Allerdings schreibt Frank Steinwachs nichts über die Biografien seiner (ehemaligen) Schülerinnen und Schüler, erklärt nicht, was mit »Migrationshintergrund« genau gemeint ist. Primär sieht er die Chance, in »einer polykulturellen Situation […] einen bewusstseinsbildenden Unterricht im Sinne einer Global Citizenship voranzutreiben, der sich den eurozentrischen Narrativen und Normvorstellungen in postkolonialen Gesellschaften innerhalb und außerhalb Europas entgegenstellen kann«[7].
Meine Wahrnehmung des schulischen Alltags mag einseitig sein, leicht angestaubt, inzwischen eher im pädagogischen Mainstream verortet. Aber im jüngsten (interkulturellen) Projekt, das ich mit einer Trierer Brennpunktschule 2021/22 durchführte, brachten die Schülerinnen und Schüler höchst unterschiedliche biografische Erfahrungen ins Klassenzimmer. Dort traf ich in einer 6. Klasse etwa auf zwei Syrerinnen, die 2015 mit ihren Eltern nach Deutschland geflüchtet waren. Sie zeigten gymnasiale Leistungen, wollten sich in Deutschland integrieren, identifizierten sich mit einem neoliberalen Leistungsethos. Eine sehr pragmatische Roma aus Nord-Mazedonien sprach kein Romnes, während eine (scheinbar) selbstsichere, blonde und blauäugige Deutsche in ihrer Trierer Großfamilie traditionell von der Großmutter Romnes erlernt hatte. Dies verschwieg sie in der Klasse, um sich negativen Zuschreibungen zu entziehen. Eine Ghanaerin, Muttersprache Ewe, musste sich über die Fremdsprache Englisch mühevoll das Deutsche erschließen, war aber sichtlich bemüht, auf vorsichtige Ansprache wenigstens ein oder zwei Worte zu antworten. Während das andere schwarze Mädchen der Klasse – Tochter eines US-Amerikaners und einer Deutschen – vergnügt über ihre Besuche in der Stadtbibliothek plauderte und als einzige im regionalen Dialekt (Moselfränkisch) fliesend parlierte. Ein neu in die Klasse gekommener Ukrainer war froh, in einem russischen Schüler einen ersten Ansprechpartner gefunden zu haben. Ein deutsches Mädchen, das im Heim untergebracht war, kümmerte sich, mittels KI-Übersetzer, rührend um ihre neue Mitschülerin, eine recht bürgerlich wirkende Ungarin, die nur Ungarisch sprach. (Integrationshelfer habe ich in der – unter den gegebenen Umstanden – exzellent geleiteten Schule übrigens nie gesehen.)
Auch wenn dies nur ein kleiner, sehr oberflächlicher Ausschnitt ist, beschreibt der Containerbegriff »Migrationshintergrund « hier – wie in vielen Bereichen unserer Gesellschaft – nicht annähernd die Komplexität der Perspektiven. Wie müsste folglich ein Geschichtsunterricht beschaffen sein, um hier alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen anzusprechen? Dabei spielt auch die lokale Kulturgeographie der Schule eine Rolle. Sie ist in Trier, im Übergang zur Frankophonie, eine andere als etwa in Cottbus, wo bereits die slawischen Kulturen wahrnehmbar werden. Natürlich sollten in den Ländern der südlichen Hemisphäre regionale Perspektiven, die dortige Geschichte – auch postkolonial – im Unterricht vorrangig erschlossen werden. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum in Deutschland etwa das Reich des Mansa Musa (1312–1337) im Unterricht behandelt werden sollte, wie dies Schmelzer und Rawson vorschlagen, obwohl viele Schülerinnen und Schüler weder über ausreichende Geschichtskenntnisse ihres möglicherweise neuen Heimatlandes noch über ein (kritisches) Bewusstsein gegenüber der Geschichte ihrer jeweiligen Herkunftskultur verfügen.
Darüber hinaus erlebe ich im Umgang mit jungen Menschen jeglicher Herkunft, auch an der Universität, dass ein Grundwissen um epochale historische Ereignisse – etwa der Weltkriege, des Dritten Reiches, des Kalten Krieges, des Mauerfalls – nicht mehr vorausgesetzt werden darf. Die Erkenntnis der Postmoderne, dass die großen Erzählungen der Moderne, der Aufklärung, des Fortschritts durch viele Narrative aufgelöst werden, könnte hier eine beunruhigende Ergänzung erfahren: Die Halbwertszeit der Erinnerung von Geschichte wird kürzer. Historische Zeiträume können nicht einmal annähernd ermessen werden (wie das Christoph Lindenberg noch in seinem Geschichtsunterricht unternahm). Die Ereignisse werden auch weniger nach ihrer Bedeutung in der Geschichte verortet, gewichtet und gefestigt, sondern zerrinnen im Fluss der täglich neu hereinströmenden (digitalen) Nachrichten. Dieser stetige Prozess überfordert nicht nur unsere Erinnerung, sondern lässt auch das kollektive Gedächtnis erodieren. Das Kollektive Unbewusste bzw. Gedächtnis – im Sinne von C.G. Jung, Maurice Halbwachs, aktuell auch Aleida Assmann – aber erfüllt eine essenzielle gesellschaftliche Funktion, indem es Bezüge zu Gemeinsamkeiten und Werten gewährleistet. Der auf manchen Demonstrationen zum Gaza-Krieg eruptierende Antisemitismus beruht eben nicht nur auf Verzweiflung, Verletztheit und Hass. Er resultiert wahrscheinlich auch aus einer Geschichtsignoranz, die immerhin zeigt, wie dramatisch der Bedarf an westlicher historischer Bildung tatsächlich ist, wenn wir durch Erinnerung eine minimale Kohärenz in unserer Gesellschaft aufrechterhalten wollen.
Aus mehreren Gründen kann der traditionelle Postkolonialismus aber hier keinen signifikanten Beitrag mehr leisten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden, erfüllte er zunächst eine wichtige Aufgabe, indem er auf die Sprachlosigkeit der »kolonialen Subalternen« (Gayatri Spivak) des »Globalen Südens«, auf ihre Ausbeutung, ihr Schattendasein in den Inszenierungen der weißen Kolonialherren (und -damen) hinwies. Doch änderte sich das Grundverständnis des Kolonialismus bereits mit der Transition der großen Reiche, etwa des Empires zum Commonwealth, ab Mitte des 20. Jahrhunderts.
Zentrifugale und zentripetale Bewegungen
Zuvor wurde der westliche Kolonialismus durch zwei Bewegungen geprägt. Einerseits eine zentrifugale: Die Armen und Verfolgten Europas wanderten aus, flüchteten, wurden deportiert, um in Übersee neue Gebiete zu erschließen, von denen der kapitalistische Welthandel profitierte. Gleichzeitig schwächte sich der soziale Druck in Europa ab, wenigstens einigermaßen. So flohen eine Million Iren im 19. Jahrhundert vor dem Hungertod in die Vereinigten Staaten und etwa 165.000 Briten wurden als Strafgefangene nach Australien deportiert. Emma Lazarus‘ Gedicht ›The New Colossus‹ (1883), am Sockel der Freiheitsstatue, war nicht nur Juden gewidmet, die im 19. Jahrhundert in großer Zahl vor Pogromen aus Osteuropa flüchten mussten. Dort hatte sich seit der progressiven Migrationspolitik von Zarin Katharina der Großen und Kaiserin Maria Theresia gleichzeitig ein Binnenkolonialismus etabliert, von dem primär deutsche und russische Siedler (in harter Arbeit) profitierten, während größere Teile der lokalen – häufig weißen – Bevölkerung durch Leibeigenschaft noch immer brutal unterjocht waren. »Give me your tired, your poor, / Your huddled masses yearning to breathe free« bezog sich deshalb auch auf mittellose Osteuropäer, auf Südeuropäer, arme Deutsche oder Skandinavier, überhaupt alle europäischen Einwanderer – soweit sie in der Lage waren, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Unbegleitete Alte, Kranke, politische Extremisten oder Menschen, die man als schädlich für den US-amerikanischen Gen-Pool ansah, wurden meistens abgewiesen und zurückgeschickt.[8]
Andererseits beförderten europäische, später amerikanische und immer auch afrikanische Profiteure des Kolonialismus mit einer zentripetalen Bewegung Rohstoffe und schrecklicherweise auch Menschen in die kolonialen Wirtschaftsräume des Nordens. Und europäische Migranten des 19. Jahrhunderts mochten zwar häufig selbst Geflüchtete sein, in den USA sogar einen entscheidenden Beitrag zur Sklavenbefreiung erbracht haben, leisteten aber auch aktive Beihilfe beim versuchten Genozid an den Native Americans. Eine ähnliche Konstellation eliminatorischer Einwanderung zeigte sich bereits früher in Südamerika, in Australien, aber auch bei der französischen Kolonisierung Nordafrikas ab 1830. Doch auch dort ist das Bild komplex: Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels ist wohl ähnlich grausam wie die europäisch-amerikanische. Der Sozialwissenschaftler Tidiane N’Diaye schätzt die Zahl der Versklavten sogar auf 17 Millionen.[9] Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die Sklaverei darüber hinaus ein globales Phänomen, das fast alle Kulturkreise betrifft.[10] Die ideologisch aufgeladenen Begrenzungen der Postkolonialen Theorie auf den Nordwesten helfen dabei nicht, das Phänomen zu analysieren, ohne dass man Gefahr läuft, den Umfang von Ausbeutung und Sklaverei, beispielsweise in China und Indien, zu verharmlosen.
Postkolonialismus und Faschismus
Auch die Schnittmengen postkolonialer Politik mit dem Nationalsozialismus werfen Fragen auf. Bereits vor und während des Zweiten Weltkrieges korrumpierten sich Teile der Freiheitsbewegungen, indem sie einen Hauptgegner ihrer Kolonialmächte – das Deutsche Reich, später Nazi-Deutschland – als Verbündeten zu gewinnen suchten. Subhash Chandra Bose, neben Mahatma Gandhi einer der wichtigsten Politiker der indischen Unabhängigkeitsbewegungen, avancierte im Zweiten Weltkrieg zum Spiritus Rector der Waffen-SS Division ›Legion Freies Indien‹.[11] Chiang Kai-shek und Sun Yat-sen kooperierten eng mit den Nazis, auch nach Ausbruch des Chinesisch-Japanischen Krieges (1937).[12] Der US-amerikanische Bürgerrechtler und Vordenker des Panafrikanismus W.E.B. Du Bois bereiste in den 1930er-Jahren Nazi-Deutschland, um dort Unterstützer für die Emanzipation der Schwarzen zu gewinnen.[13] Und der Verweis auf den Großmufti von Jerusalem[14]und die Legion Freies Arabien der Waffen-SS[15]könnte durch die spätere Kooperation der PLO mit der Wehrsportgruppe Hoffmann ergänzt werden.[16] Mitglieder der beiden letztgenannten Organisationen wähnten sich sogar als Verbündete im antikolonialen Kampf. Wobei diese Beziehungen eher Marginalien sein dürften gegenüber der Unterstützung, die untergetauchte Nazis nach 1945 in Ägypten erfuhren;[17] einem Land, dessen erster Präsident Gamal Abdel Nasser als eine der wichtigsten Integrationsfiguren des Panarabismus und der arabischen Freiheitsbewegungen gelten darf.
Die genannten Persönlichkeiten dominierten den Postkolonialismus nicht; doch sind die durch sie vermittelten Haltungen nicht untypisch für einen allzu sorglosen Umgang mit – aus westlicher Sicht – historischen Tabus wie Antisemitismus, Ultranationalismus oder Misogynie. Dies mag auch erklären, warum das indonesische Künstlerkollektiv ›Taring Padi‹ die ›documenta fifteen‹ im Jahr 2022 mit einem Banner »antisemitischer Bildsprache«[18] (Claudia Roth) zur Implosion brachte. Vermutlich geschah dies nicht intentional, sondern aus einer Kultur heraus, die durch andere historische Erfahrungen geprägt ist.[19] Das zwanzig Jahre alte Kunstwerk[20]verweist auch auf das Massaker von 1965/66, bei dem nach vorsichtigen Schätzungen 500.000 Menschen – zumeist indonesische Kommunisten und ethnische Chinesen – von den Schergen des westlich orientierten Generals Suharto ermordet wurden.[21]
Doch derartige Erfahrungen postkolonialen Grauens lassen sich in Deutschland nicht unvermittelt vor dem Hintergrund der europäischen Leidensgeschichten – allen voran dem Holocaust, dann dem Holodomor, dem Gulag-System oder auch dem Genozid an den Armeniern – darstellen. Zumal jede dieser großen Leidensgeschichten eigene, östlich-postkoloniale Aspekte beinhaltet.[22] Ein hier wirksamer, auch künstlerischer Dialog setzte folglich eine solide historische Universalbildung aller Beteiligten, Empathie, kommunikative Qualitäten und gegenseitige Toleranz voraus. Wäre es deshalb nicht angebrachter, in Deutschland gerade in Schulen mit hohem Migrantenanteil zuerst die deutsche und europäische Geschichte verbindlich zu lehren, als sichere Basis zur späteren Erschließung einer globalen Geschichte? Und wäre es auf wissenschaftlicher Ebene nicht konstruktiv, die ideologischen Tücken der westlich-postkolonialen Theorie zuerst in einem größeren Projekt auszuleuchten; anstatt ihre kontroversen Argumente unhinterfragt und normativ in die Lehre zu übernehmen?
Ebenso fehlt ein Werk, vielleicht sogar ein internationaler Forschungsverbund, der – differenzierter als Ian Buruma und vergleichbar mit Edward Saids »Orientalism«[23] – Sichtweisen des Südens und Ostasiens auf den Norden thematisiert. Denn der Norden wird nicht (und wurde niemals) nur von privilegierten »Weißen« bewohnt, sondern von Millionen sehr individueller Menschen, deren – häufig bescheidener – materieller Wohlstand nur einen dünnen Firnis auf die Traumata des 20. Jahrhunderts gelegt hat. Was auch bedingt, dass die westlichpostkoloniale Theorie gerade dort am vehementesten abgelehnt wird, wo diese Traumata noch immer verarbeitet werden müssen – besonders in Osteuropa, in den »Bloodlands«[24] des 20. Jahrhunderts. Wäre es nicht wichtiger, diese Ablehnung zu verstehen, vielleicht sogar zu akzeptieren, als vielen noch immer traumatisierten Menschen kategorisch eine (möglicherweise überholte) Weltsicht vermitteln zu wollen? Und auch umgekehrt wäre Toleranz angebracht: Die bisweilen harschen Urteile von Vertretern der Postkolonialen Theorie über den »privilegierten « Norden beruhen vielleicht nicht auf Gefühlskälte, sondern auf stereotypen Bildern, verzerrten Wahrnehmungen und eben auch fehlendem historischem Wissen.
An den Schalthebeln der Macht
Doch zurück zum Westen: Nach dem Zweiten Weltkrieg und der graduellen Auflösung der Kolonialreiche war eine neue, zentripetale Bewegung zu beobachten, wiederum von der Peripherie zum Zentrum der Macht: Durch den ›British Nationality Act‹ von 1948 begab sich – zuerst aus der Karibik – die »Windrush Generation«[25] auf die Seereise nach England. Es dauerte ein Vierteljahrhundert bis Jamaikaner, aber auch Inder, Pakistanis, Bangladeschis erste Wurzeln geschlagen hatten. Künstlerisch vermochten sich die Einwanderer aus dem Commonwealth zuerst zu etablieren. In der Musik – erinnert sei beispielsweise nur an die Vielzahl der Ska- und Reggae-Musiker jamaikanischer Herkunft[26]–, aber auch in der Literatur gewannen sie ab den späten Siebziger Jahren deutlich an Ansehen.[27] Auf ihre Weise ähnelt diese Entwicklung der Emanzipation der deutschsprachigen Arbeiterklasse vor fast genau hundert Jahren. Erst nach der Revolution von 1918 gelang den Werktätigen in Deutschland und Österreich (endlich) eine gewisse Repräsentanz in der Literatur und der Durchbruch in höchste Staatsämter.[28]
Recht ähnlich vollzogen Menschen aus dem Commonwealth nach der Jahrtausendwende dann erfolgreich den »Marsch durch die Institutionen« und übernahmen in den 2020er-Jahren schließlich die institutionellen Schalthebel der Macht. Der Premierminister des Vereinigten Königreiches, Rishi Sunak, verweist auf eine familiäre Herkunft aus dem Punjab (wobei seine Eltern aus Uganda einwanderten). Sadiq Khan, der Oberbürgermeister von London, hat familiäre Wurzeln in Pakistan; die ehemaligen Innenministerinnen Priti Patel und Suella Braverman sowie der aktuelle Amtsinhaber James Cleverly haben ebenfalls einen familiären Hintergrund im Commonwealth; wie die reichste Familie des Vereinigten Königreichs, die Hindujas, die aus Sindh (Pakistan) und Maharashtra (Indien) stammen. Man mag einwenden, dass es sich dabei noch immer um Ausnahmen handelt; selbst wenn etwa 20 Prozent der konservativen Regierungsmitglieder der letzten drei Kabinette ebenfalls eine Art von Verortung im Commonwealth aufweisen. Ideologisch noch weniger in die alten westlich-postkolonialen Konstrukte passt, dass gerade Patel und Braverman versuchten, der Regierung einen rechtskonservativen Kurs zu geben, insbesondere bei der Einwanderungspolitik. Und auch Gayatri Spivak selbst ist letztendlich eine arrivierte, mehrfach (oder intersektional) privilegierte Wissenschaftlerin.[29] Ihre Rolle als Fürsprecherin der Unterdrückten und Ausgegrenzten wirkt im 21. Jahrhundert nicht mehr mit der gleichen, singulären Wucht. Die Dalits ergänzen ihren Diskurs – auch auf kritische Weise – und haben inzwischen Intellektuelle hervorgebracht, die sie betreffende gesellschaftliche Missstände noch klarer zu artikulieren verstehen.[30] Dabei wird Kritik immer häufiger an Problemen vor Ort artikuliert, an korrupten Lokalpolitikern, brutalen Militärs – und nicht auf einen abstrakten »Globalen Norden« abgelenkt.
Neue Schichten von Subalternen
Zudem malochen inzwischen Millionen von europäischen Migranten im Schatten der britischen Gesellschaft.[31] Weder in der Politik noch im Kulturbetrieb sind sie – als neue »Subalterne« – jedoch adäquat repräsentiert. Um nur ein Beispiel zu nennen, das auch für Waldorflehrpläne relevant sein könnte: 2022 wurde zum 70. Thronjubiläum der Queen der ›Big Jubilee Read‹ veröffentlicht, eine Liste von 70 repräsentativen Werken der Literatur des Commonwealth, für jedes Jahr der Regentschaft eine bedeutsame Publikation. Auf den ersten Blick wirkt die Liste recht divers und ausgeglichen. Beim zweiten, genaueren Lesen fallen Lücken auf: Europa scheint keine Rolle zu spielen, es sei denn, seine Geschichte wird von Autoren aus dem Commonwealth behandelt, mit Bezug zur Nazizeit und zur Spionage im Kalten Krieg.[32] Dagegen haben Millionen von Einwanderern aus Mittel- und Osteuropa dort (und auch anderweitig) offenbar keine eigene literarische Stimme mit einer gewissen Reichweite.[33] Anders als in der deutschsprachigen Literatur, wo Schriftsteller aus Osteuropa inzwischen regelmäßig Literaturpreise gewinnen und zahlreiche Debatten mit durchdachten Beiträgen bereichern.[34] Das wäre – besonders nach dem Brexit – vielleicht noch zu verstehen, weil Mittel- und Osteuropa nicht zum Commonwealth gehören. Befremdlicher wirkt, dass sich auf der Liste kein einziger jüdischer Autor befindet.[35] Dabei wurden während der Regentschaft der Queen zwei jüdische Autoren britischer Staatsbürgerschaft mit dem Literatur-Nobelpreis bedacht: Harold Pinter (2005) und Elias Canetti (1981); wobei Letzterer es – auch durch seine Biografie – verstand, eine Brücke nach Mittel- und Osteuropa zu schlagen. Die politische Konformität der Liste zeigt sich auch andernorts, etwa bei der vollständigen Abwesenheit von Autoren aus der (ehemaligen) Kronkolonie Hong Kong. Beim Stolpern über solche Lücken wird evident, dass der westlich-postkoloniale Ansatz nur in sehr eingeschränkter Weise eine echte Diversität spiegelt.
Daher sollte man wenigstens in Betracht ziehen, dass sich in Osteuropa ebenfalls ein sehr reger, postkolonialer Diskurs entwickelt hat, der im Westen kaum wahrgenommen wird;[36] nicht nur deshalb lohnt es sich, an Waldorfschulen die osteuropäische Geschichte, damit auch den östlich-postkolonialen Ansatz zu vertiefen. Zusätzlich kann im Idealfall der Russischunterricht der Oberstufe inhaltlich ergänzt werden. Ebenso hat sich in Fernost eine Forschung entwickelt, die den Folgen des kolonialen Zugriffs aus Japan, Europa und den USA gewidmet ist.[37] Besonders während des Zweiten Weltkrieges hatten vor allem Korea und China, aber auch Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam und die Philippinen unter der »Großasiatischen Wohlstandssphäre« Japans zu leiden. Die dort praktizierte koloniale Ausbeutung stand selbst den Gräueln im Belgischen Kongo-Freistaat in nichts nach; erinnert sei nur an Iris Changs bahnbrechendes Werk über die Massaker der Japaner nach der Einnahme der damaligen chinesischen Hauptstadt Nanjing, die sich zum Jahreswechsel 1937/38 über mehrere Wochen erstreckten.[38] Das bedeutet selbstverständlich nicht, die koloniale Geschichte des Westens in Fernost – etwa in Vietnam oder Indonesien – zu ignorieren. Auch die noch andauernde rassistische Binnenkolonisierung Chinas mit der Unterjochung der Tibeter und Uiguren könnte an Waldorfschulen behandelt werden.
DR. MATTHIAS FECHNER, geb. 1966, ist Koordinator des Bachelor-Studiengangs ›Interkulturelle Kommunikation und Management‹ an der Universität Trier. Er hat in Stuttgart und Manchester studiert, in Sheffield promoviert und war 16 Jahre Oberstufenlehrer, u.a. für Geschichte, an den Freien Waldorfschulen Böblingen/ Sindelfingen und Heidelberg sowie an der Odenwaldschule. Er ist aktiv bei ›7 Argumente‹, in der GEW, sowie bei ›Bündnis 90/Die Grünen‹.
[1] Martyn Rawson & Albert Schmelzer: ›Bausteine für eine diverse, antirassistische Waldorfpädagogik‹, in: Erziehungskunst‹ 11/2022, S. 23.
[2] Vgl. a.a.O., S. 23f.
[3] Bijan Kafi: ›Diesseits des Politischen‹, in: DIE DREI 2/ 2023, S. 69ff.
[4] Frank Steinwachs: ›Waldorfpädagogik – mittendrin im Politischen!‹, in: DIE DREI 4/2023, S. 61ff.
[5] Johannes Kiersch: ›Zeigen, was Waldorf kann‹, in: DIE DREI 4/2023, S. 75ff.; Michael Debus: ›Das »Geistige im Menschenwesen« und die Aufgabe einer neuen Pädagogik‹, in: DIE DREI 5/2023, S. 90ff.; Ralf Sonnenberg: Leserbrief, in: DIE DREI 5/2023, S. 126f.; Salvatore Lavecchia: ›Vom Regen in die Traufe‹, in: DIE DREI 6/2023, S. 10ff.
[6] Der Begriff »Globaler Süden« / »Global South« hat in den letzten Jahren eine – recht umstrittene – Renaissance erfahren. Umstritten vor allem aufgrund der rapide gewachsenen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht von Staaten, die zum »Globalen Süden« gezählt werden, wie etwa Indien, China, Südafrika oder Brasilien, mithin vier von fünf BRICS-Mitgliedern. Eine knappe Einführung in die kontroverse Debatte findet sich bei Stewart Patrick & Alexandra Huggins: ›The Term »Global South« Is Surging. It Should Be Retired‹ – https://carnegieendowment.org/2023/08/15/term-global-south-is-surging.-it-shouldbe-retired-pub-90376
Vgl. C. Rajah Mohans Artikel in ›Foreign Policy‹, in dem der – aus indischer Perspektive – viel zu allgemeine Begriff kritisiert wird: ›Is There Such a Thing as a Global South? The category is emotionally powerful but fundamentally flawed‹ in: ›Foreign Policy‹ vom 9. Dezember 2023 – https://foreignpolicy.com/2023/12/09/global-south-definition-meaning-countries-development
[7] Frank Steinwachs: op. cit., S. 62.
[8] Vgl. Caitlin Johnson: ›Remembering the Dark Side of Ellis Island.‹ in: ›CBS News Sunday Morning‹ vom 1. Juli 2007 – www.cbsnews.com/news/remembering-the-darkside-of-ellis-island
[9] Vgl. Tidiane N’Diaye: ›Le génocide voilé‹, Paris 2007.
[10] Vgl. einführend Junius P. Rodrigues’ umfassende Darstellung: ›The Historical Encyclopaedia of World Slavery Vol. I+II‹, Santa Barbara, Denver & Oxford 1997.
[11] Vgl. Jan Kuhlmann: ›Subhas Chandra Bose und die Indienpolitik der Achsenmächte‹, Berlin 2003.
[12] Nur eine von mehreren Quellen zu diesem Thema ist Kevin Knodell: ›Don‘t Tell Hitler: Nazi Germany Once Helped China Fight Japan‹, in: ›The National Interest‹ vom 20 Dezember 2020 – https://nationalinterest.org/blog/reboot/dont-tell-hitler-nazi-germany-once-helped-china-fight-japan-173593
[13] Vgl. Du Bois‘ neu edierte Reiseberichte in William E.B. Du Bois: ›»Along The Color Line«. Eine Reise durch Deutschland 1936‹, hrsg. von Oliver Lubrich, übers. von Johanna von Koppenfels, München 2022.
[14] Vgl. z.B. Matthias Küntzel: ›Die Nazis und der Nahe Osten‹, Berlin 2019.
[15] Vgl. Franz Wimmer-Lamquet: ›Balkenkreuz und Halbmond. Als Abwehroffizier in Afrika und im Vorderen Orient‹, Graz 2006. Neben militärischen Einheiten gab es individuelle Kollaborationen, etwa durch den späteren FLN-Offizier Saïd Mohammedi, der in der Wehrmacht kämpfte, durch den algerisch-französischen Rechtsextremisten Muhammad al-Ma’adi, der in Paris 1943/44 eine Sondereinheit aus 300 Soldaten aushob, die aus Algeriern und französischen Rechtsextremisten bestand und diese in den Dienst Nazideutschlands stellte, was auch zu Massakern an der französischen Zivilbevölkerung führte. Vgl. Patrice Rolli: ›La Phalange nord-africaine (ou Brigade nord-africaine, ou Légion nord-africaine) en Dordogne: Histoire d‘une alliance entre la Pègre et la Gestapo (15 mars-19 août 1944)‹, Éditions l‘Histoire en Partage 2013. Einen weiteren Aspekt bilden ehemalige Nazis, die in den Unabhängigkeitskriegen nach 1945 auf Seiten der Kolonialvölker kämpften, wiedies in Boualem Sansals ›Le village de l’allemand ou Le journal des frères Schiller‹ (Paris 2008) für Algerien beschrieben wird. Ähnliches dürfte in Indochina geschehen sein, wo desertierte deutsche Fremdenlegionäre für die Viet-Minh kämpften. Insgesamt handelte es sich dabei jedoch um ein eher marginales Phänomen.
[16] Vermutlich wäre eine Kooperation der Wehrsportgruppe Hoffmann mit den faschistischen Kata’ib/Phalanges Libanaises – äußerlich betrachtet – naheliegender gewesen. Allerdings fehlte dort der Antisemitismus der PLO, der den deutschen Neonazis dann doch stärkere ideologische Anknüpfungspunkte mit der linken, postkolonialen Befreiungsbewegung bot. Vgl. Sam Izzo: ›Karl-Heinz Hoffmann’s Secret History Links Neo- Nazis With Palestinian Terror‹, in: ›Tablet‹ vom 18. Juni 2019 – www.tabletmag.com/sections/arts-letters/articles/karl-heinz-hoffmann-far-right
[17] Vyvyan Kinross: ›Nazis on the Nile: The German Military Advisors in Egypt 1949-67‹, London 2020.
[18]https://www.tagesschau.de/kultur/documenta-antisemitismus-roth-101.html
[19] Vgl. den Artikel von Anett Keller zum Hitler-Kult unter indonesischen Jugendlichen: ›Des Führers Inseln‹, in: ›die tageszeitung‹ vom 4. November 2012 – https://taz.de/Hitler-Kult-in-Indonesien/!5080245. Der Kasseler Eklat, etwa zehn Jahre nach Erscheinen des Artikels, überrascht vor diesem Hintergrund schon weniger.
[20] Vgl. Anon.: ›Antisemitische Kunst auf der documenta fifteen‹, in: ›Deutsche Welle‹ vom 20. Juni 2022 – www.dw.com/de/documenta-fifteen-antisemitismus-vorw%C3%BCrfe/a-62190281
[21] Vgl. Geoffrey B. Robinson: ›The Killing Season‹, Princeton 2018. Die Gemälde von Taring Padi spiegeln u.a. diese – im Westen weitgehend ignorierten – Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
[22] Der Holocaust wäre ohne die brutale Kolonisierung des Ostens unter dem Schlagwort der »Lebensraumpolitik « nicht in der gleichen Weise möglich gewesen. Das Gulag-System war Teil einer Binnenkolonisierung der Sowjetunion, zu der auch die Kollektivierung der ukrainischen Bauern gehörte. Und die Armenier wurden als Kolonialvolk des Osmanischen Reiches in den Genozid getrieben.
[23] Edward Said behandelt in ›Orientalism‹, London 1978, die Stereotype, mit denen Intellektuelle und Künstler der Kolonialmächte die Länder des »Orients« belegten, was auch dazu diente, das drastische Machtungleichgewicht aufrecht zu erhalten.
[24] Ich beziehe mich hier auf Timothy Snyder: ›Bloodlands. Europe between Hitler and Stalin‹, New York City 2010, der nachweist, dass die UdSSR und das Deutsche Reich in gegenseitiger Abstimmung zwischen 1933 und 1945 rund 17 Millionen Zivilisten in Osteuropa ermordeten.
[25] Die HMT Empire Windrush steht stellvertretend für die Passagierschiffe, die ab 1947 Menschen aus der Karibik, die als neue britische Staatsbürger nach einer positiven Veränderung strebten, ins Vereinigte Königreich brachten. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Windrush Generation.
[26] Alleine aus dem Ska könnte man hier Desmond Dekker, Laurel Aitken, Roland Alphonso, Jimmy Cliff und viele andere nennen, die mit ihrer Musik großen Anklang fanden – zuerst vor allem unter jugendlichen Skinheads, die damals noch keine rassistischen Neigungen zeigten, sondern die modischen und musikalischen Vorlieben ihrer jamaikanischen Nachbarn in den britischen Arbeitervierteln teilten.
[27] Vgl. den ersten Versuch einer umfassenderen Darstellung des Teilbereichs der anglophonen postkolonialen Literatur von Bill Ashcroft, Gareth Griffiths & Helen Tiffin: ›The Empire Writes Back: Theory and Practice in Post-Colonial Literatures‹, London 1989.
[28] Vgl. die Überblicksdarstellungen in Matthias Fechner: ›Das Geld, die Wirtschaft und die Wirtlichkeit … in der deutschsprachigen Literatur vom Sturm und Drang zur Neuen Sachlichkeit. Mit einer Betrachtung von Erik Regers Ökonomisierungskritik in Union der festen Hand (1931)‹, in Ivo De Gennaroo, Sergiusz Kazmierski, Ralf Lüfter & Robert Simon (Hrsg.): ›Wirtliche Ökonomie. Philosophische und dichterische Quellen‹ (Elementa OEconomica 1.3 Dritter Teilband), Nordhausen 2019, S. 245-267, und in Matthias Fechner: ›Liminale Entwicklungen. Ein Blick auf die Darstellung ökonomischer Zusammenhänge in der deutschsprachigen Literatur. Vom Sturm und Drang bis zur Gegenwart‹, in ders. & Henrieke Stahl (Hrsg.): ›Subjekt und Liminalität in der Gegenwartsliteratur. Bd. 2: Schwellenzeit – Gattungstransitionen – Grenzerfahrungen‹, Berlin 2020, S. 41-57.
[29] Spivak kommt aus einer begüterten Familie von Brahmanen, der höchsten Kaste der Hindus. Sie promovierte bei Paul de Man in Cornell, einer angesehenen Ivy-League-Universität. Gegenwärtig hat sie eine Professur an der finanziell exzellent ausgestatteten Columbia University in New York inne.
[30] Als eines – von zahlreichen – Beispielen sei hier nur Meena Kandasamy genannt, die in unbestechlicher Weise nicht nur gegen die rechtsextreme Regierung Modi kämpft, sondern auch patriarchale Haltungen unter den scheinbar avanciertesten Gruppen der Dalits, wie den Naxaliten, anprangert. Vgl. Meena Kandasamy: ›When I Hit You. A Portrait of the Writer as a Young Wife‹, London 2017.
[31] 2016/17 lebten über eine Million in Polen geborene Menschen im Vereinigten Königreich; 2021 war diese Zahl, nicht zuletzt aufgrund des Brexit, auf 696.000 gesunken. – www.statista.com/statistics/1061639/polish-population-in-united-kingdom. Insgesamt lebten 2021 vier Millionen Kontinentaleuropäer im Vereinigten Königreich – https://migrationobservatory.ox.ac.uk/resources/briefings/eu-migration-to-and-from-the-uk
[32] Dabei handelt es sich um Thomas Keneally: ›Schindler’s Ark‹ (1982), Markus Zusak: ›The Book Thief‹ (2005), deren Romane das Dritte Reich behandeln, und John Le Carré: ›Tinker Tailor Soldier Spy‹ (1974), ein Spionagethriller des Kalten Krieges.
[33] Die wahrscheinlich bekannteste osteuropäische Autorin des englischen Sprachraums ist wohl Marina Lewycka mit u.a.: ›A Short History of Tractors in Ukrainian‹ (2005).
[34] Um hier nur einige Namen zu nennen: Olga Martynova, Marjana Gaponenko, Tanya Malyartchuk, Katya Petrovskaya, Nino Haratischwili, Yevgeniy Breyger oder auch Margarete Stokowski.
[35] Lediglich Andrea Levy verweist auf einen jüdischen Großvater.
[36] Dazu aufgrund Platzmangels nur wenige Beispiele, etwa Epp Annus‘ richtungsweisende Studie zu Estland: ›The Problem of Soviet Colonialism in the Baltics‹, in: ›Journal of Baltic Studies 43‹ 1/2012. S. 21–45, sowie ders.: ›Soviet postcolonial studies. A view from the western borderlands‹, London & New York 2017; daran anschließend Piret Peiker: ›Estonian nationalism through the postcolonial lens‹, in: ›Journal of Baltic Studies. 47‹ 1/2016. S. 1-20. Ganz aktuell behandelt Maria Mälksoo den Krieg in der Ukraine unter postkolonialen Aspekten: ›The Postcolonial Moment in Russia’s War Against Ukraine‹, in: ›Journal of Genocide Research 11‹ May 2022 – www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/14623528.2022.2074947 (27. November 2022); Henry F. Carey & Rafal Raciborski: ›Postcolonialism: A Valid Paradigm for the Former Sovietized States and Yugoslavia?‹, in: ›East European Politics & Societies 18‹ Nr. 2 (2004), S. 191–235; Janusz Korek (Hrsg.): ›From Sovietology to Postcoloniality: Poland and Ukraine from a Postcolonial Perspective‹, Huddinge 2007; Sharad Chari & Katherine Verdery: ›Thinking between the Posts: Postcolonialism, Postsocialism, and Ethnography after the Cold War‹, in: ›Comparative Studies in Society and History 51‹ Nr. 1 (2009), S. 6–34; Neil Lazarus, ›Spectres haunting: Postcommunism and postcolonialism‹, in: ›Journal of Postcolonial Writing 48‹ Nr. 2 (2012), S. 117–29; Jill Owczarzak: ›Introduction: Postcolonial Studies and Postsocialism in Eastern Europe‹, in: ›Focaal 53‹ (2009), S. 3–19; Dirk Uffelmann: ›Theory as Memory Practice: The Divided Discourse on Poland’s Postcoloniality‹, in Uilleam Blacker, Alexander Etkind & Julie Fedor (Hrsg.): ›Memory and Theory in Eastern Europe‹, New York 2013, S. 103–24; Alexander Etkind: ›Internal Colonization: Russia’s Imperial Experience‹, Cambridge 2011; Madina Tlostanova: ›Postsocialist ≠ postcolonial? On post-Soviet imaginary and global coloniality‹, in: ›Journal of Postcolonial Writing 48‹, Nr. 2 (2012), S. 130–42; Cristina Sandru: ›Worlds Apart? A Postcolonial Reading of Post-1945 East-Central European Culture‹, Newcastle upon Tyne 2012; außerdem zu Österreich-Ungarn Johannes Feichtinger, Ursula Prutsch & Moritz Csáky (Hrsg.): ›Habsburg postcolonial. Machtstrukturen und kollektives Gedächtnis‹, Innsbruck 2003.
[37] Vgl. Chua Beng Huat (Hrsg.): ›Postcolonial Studies Special Issue: Southeast Asia’s absence in postcolonial studies‹ Vol 11/3 (2008); Pheng Cheah & Caroline S. Hau (Hrsg.): ›Siting Postcoloniality: Critical Perspectives from the East Asian Sinosphere‹, Durham N.C. 2022. – https://doi.org/10.2307/j.ctv31jm8zp; Melissa Kennedy: ›Theoretical Encounters: Postcolonial Studies in East Asia‹, in: ›The IAFOR Journal of Literature and Librarianship 2/1‹ Spring 2013, S. 7-15; John Lie: ›Zainichi: Koreans in Japan: Diasporic Nationalism and Postcolonial Identity‹, Berkeley & Los Angeles 2008; C. Sarah Soh: ›The Comfort Women: Sexual violence and Postcolonial Memory in Korea and Japan‹, Chicago 2008.
[38] Iris Chang: ›The Rape of Nanking – The Forgotten Holocaust of World War II‹, New York City 1997.