Waldorfpädagogik – mittendrin im Politischen!
Eine Replik auf Bijan Kafi: ›Diesseits des Politischen‹ in DieDrei, Ausgabe 2023-2
Beginnen wir mit einem Blick in die Wirklichkeit. In Hamburg, wo ich lebe und arbeite, haben 51,8 % der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund.[1] Vielfach leben sie in hybriden und damit in meist von der Dominanzgesellschaft nicht als Norm akzeptierten Kulturen. Dies führt schnell dazu, dass sie mit Blick auf ihre Ethnie, Identität und äußere wie innere Zuschreibungen weder in der einen noch in der anderen Kultur als vollwertig anerkannt werden oder sich zugehörig fühlen können. Das hat auf der einen Seite Benachteiligung, vielfach auch Diskriminierung zur Folge – nicht nur bei Polizeirazzien oder bei der Job- und Wohnungssuche, sondern auch innerhalb ihrer vermeintlich oder ursprünglich eigenen Kultur.[2] In der zweiten und dritten Generation führt eine solche Situation oft zu einer Form der Entheimatung, wenn sich das Hybride verfestigt und Teil der eigenen Identität wird – in dem Wissen, in den Augen der »Mehrheits-« oder Dominanzkultur nicht dazuzugehören.[3]
zum Artikel "Diesseits des Politischen"
Auf der anderen Seite ist mit einer polykulturellen Situation aber auch die Chance verbunden, einen bewusstseinsbildenden Unterricht im Sinne einer Global Citizenship voranzutreiben, der sich den eurozentrischen Narrativen und Normvorstellungen in postkolonialen Gesellschaften innerhalb und außerhalb Europas entgegenstellen kann – ein Diskurs, der seit einigen Jahren auch in der Waldorfpädagogik angekommen ist.[4] Wenn die Waldorfpädagogik diese zeitgenössischen Wirklichkeiten ernst nehmen und gesellschaftlich wirksam sein will, muss sie in postmigrantischen und postkolonialen Gesellschaften explizit »diesseits des Politischen« oder noch besser: mittendrin im Politischen stehen und sich den damit verbundenen Aufgaben sowie dem für die Schülerinnen und Schüler gesellschaftlich relevanten Diskursen stellen. Ob die Waldorfpädagogik per se (also nicht nur einzelne Schulen oder Kolleginnen und Kollegen) zur Zeit eine adäquate Antwort auf die genannten Anforderungen hat, wäre eine Untersuchung wert, kann hier aber nicht ausführlich erörtert werden. Dennoch möchte ich im Folgenden nicht nur eine Replik formulieren, sondern im Anschluss auch erläutern, was meines Erachtens aus waldorfpädagogischer Sicht richtig wäre.
Am Text vorbei argumentiert
Bijan Kafi bezieht sich in seinen Ausführungen im Wesentlichen auf einen Beitrag von Martyn Rawson und Albert Schmelzer in der ›Erziehungskunst‹ und verreißt ihn dabei regelrecht – in einer Form, die mir in jeder Hinsicht unangemessen erscheint und die geeignet ist, den aktuellen, waldorfpädagogischen Diskurs zu den Themen Marginalisierung, Diskriminierung und Rassismus in eine problematische Schieflage zu bringen.
Zuallererst muss hervorgehoben werden, dass der kritisierte Beitrag kein wissenschaftlicher Artikel sein soll, wie Kafi suggeriert (vgl. S. 72). Darauf ist die ›Erziehungskunst‹ auch gar nicht ausgerichtet. Allerdings basieren die Ausführungen beider Autoren auf einer profunden wissenschaftlichen Kenntnis der Materie – setzt man sich nur etwas mit den Veröffentlichungen beider Autoren auseinander, fällt dies wohl als erstes ins Auge. Allein aus diesem Grund ist der Vorwurf, die beiden Autoren »verletzen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlicher Arbeit« (S. 70) inhaltlich wie methodisch abwegig.
Gerade in ihrer Feststellung, dass ein waches Bewusstsein für Diskriminierung und Rassismus eine pädagogische Notwendigkeit ist, bewegen sich Rawson & Schmelzer auf der Höhe der wissenschaftlichen Diskussion. So hat der renommierte Literaturdidaktiker Werner Wintersteiner gefordert: Die »sprachlich und kulturell gemischten Staaten« müssten sich endlich der Realität stellen und anerkennen, dass die »Staatssprache Deutsch«[5] und die damit verbundene Kultur eben nicht eine einheitliche ist, sondern nur eine von vielen. Aber schulpolitische Konsequenzen hatte diese Erkenntnis bis heute nicht.[6] Und dieser Umstand trifft – mit Ausnahme einzelner engagierter Lehrerinnen und Lehrer – eben auch auf die Waldorfschulen zu, wenn man die Lehrpläne und das Unterrichtsselbstverständnis studiert. Allerdings wächst hier in den letzten Jahren ein zartes Pflänzchen in Form trans- und interkultureller Ansätze, deren Kraft sehr wohl gegen Marginalisierung, Diskriminierung, Ausgrenzung, Rassismus u.a. wirksam werden kann.
Absolut ahistorisch ist Kafis Behauptung, dass die Abschaffung der Sklaverei (und der Begriff der Freiheit) außerhalb Europas erst durch europäische Impulse entstanden sei (S. 72f.). Damit verfällt er in eine eurozentirisch-legitimistische Argumentation, welche die Verantwortung der europäischen Kolonialisten strukturell relativiert. Unabhängig davon, dass die kolonialisierten und versklavten Kulturen weder Geno- und Ethnozide noch eine darauf folgende Freiheitsbelehrung durch die Europäer gebraucht hätten, um ihre Kultur autonom entwickeln zu können: Nicht erst der 2006 von Hans-Jürgen Lüsebrink herausgegebene, verdienstvolle Aufsatzband hat die These überzeugend verfestigt, dass der Geist der Aufklärung den Kolonialismus letztlich nicht beendet, sondern legitimistisch und damit massiv befördert hat – einzelne, aber wenig wirksame Gegenbewegungen einmal ausgenommen.[7] Problematisch ist auch sein Umgang mit Fachbegriffen: Kafi ideologisiert bereits auf der ersten Seite seines Beitrags die Ausführungen von Rawson & Schmelzer, wenn er das in ihrem Titel genannte Wort (!) »Antirassismus« expressis verbis mit der Konnotation innerhalb der links-identitären Ideologie gleichsetzt und schreibt, dass es einen »Schulterschluss von Waldorfpädagogik und Antirassismus« gebe (S. 69). Mit dieser unstatthaften Analogisierung missbraucht er zur Unterstützung seiner Argumentation eine ethische Haltung, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung stellt, um sie als (politisch-aktivistischen) »Antirassismus«[8] zu labeln und negativ konnotieren zu können (S. 72) – aus welchen Gründen auch immer. Das Wort »Antirassismus « wird von Kafi – anders als bei Rawson & Schmelzer – als (ideologisiertes) Container-Wort ohne Hinweis auf seine Mehrfachkonnotation verwendet und schafft damit eine Verlagerung des Diskurses in eben diese ideologischen Räume (vgl. S. 75f. und S. 77f.).
Jedoch wurden diese von den beiden Autoren gar nicht betreten – weder in der ›Erziehungskunst‹, noch in ihrem wissenschaftlichen Oeuvre. Der Versuch, dies mit dem Aufsatzband von Andreas Stahl bzw. dem dort publizierten Aufsatz von Sebastian Wessels zu begründen (vgl. S. 72, Anm. 5), ist insofern völlig unpassend, als sich dessen Kritik (überwiegend zu Recht) dezidiert an den »akademisch-aktivistischen Antirassismus«[9] und die vielfach ideologisch belastete »Critical Race Theorie«[10] richtet. Beides aber findet sich gerade nicht bei Rawson & Schmelzer. Diese argumentieren vielmehr mit Bewusstseins-, Bildungs- und Individuationsfragen im waldorfpädagogischen Zusammenhang.
Wäre es Kafis Anliegen, eine Kritik am aktuellen Duktus des »akademisch-aktivistischen Antirassismus« zu formulieren und den möglichen Beitrag der Anthroposophie in den Diskurs zu stellen, so könnte das ein verdienstvoller Ansatz sein. Immerhin gibt es für diese Kritik gute Vorbilder, die zum Teil selbst von Rassismus und intersektionaler Diskriminierung betroffenen sind, wie Caroline Fourest (›Generation beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei‹, Berlin 2020) oder Canan Topçu (›Nicht mein Antirassismus. Warum wir einander zuhören sollten, statt uns den Mund zu verbieten‹, Köln 2021). Der von Kafi erwähnte Band von Andreas Stahl u.a. (siehe Anm. 8) gehört aus akademischer Perspektive natürlich dazu.
Jenseits der Blase
Dass Bijan Kafi es »begrüßt« (S. 70), dass in der ›Erziehungskunst‹ dem Rechtsradikalismus entgegengetreten wird, klingt zwar honorig und mag im ersten Moment vielleicht beruhigen. Dass er dies aber nicht in den unmissverständlichen Worten, Sätzen und Gedanken von Rawson & Schmelzer (und den entsprechenden Aufsätzen im selben Heft) erkennen kann, ist so irritierend wie die Tatsache, dass er im selben Atemzug infrage stellt, ob es überhaupt ein Rechtsextremismus-Problem gibt – obgleich dieses in waldorfpädagogischen Zusammenhängen nun wirklich vielfach, transparent und für jeden erkennbar kommuniziert worden ist.[11] Möglicherweise hatten Rawson & Schmelzer die von Kafi formulierten Vorbehalte vor Augen gehabt, als sie Hemmnisse im Umgang mit dem Thema antizipiert und eine Brücke für den Diskurs gebaut haben: Sie schreiben, dass es gesellschaftliche Entwicklungen gebe, denen man curricular und bewusstseinsbildend begegnen müsse, auch wenn die Waldorfpädagogik an sich »nicht-diskriminierend« sei:
"Manche Lehrkräfte sehen vielleicht eine nur geringe Notwendigkeit, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen, weil sie glauben, dass die Waldorfpädagogik per se nicht-diskriminierend sei. Dabei verweisen sie auf Rudolf Steiners Freiheitsphilosophie, die in der Entwicklung zur Individualität – über Geschlechtszugehörigkeit und Ethnizität hinaus – das entscheidende Element moderner Humanität sehe. So zutreffend eine solche Aussage ist, so wesentlich erscheint die Ergänzung, dass Rudolf Steiner ebenso das Motto der Sozialethik formuliert hat, demzufolge heilsame soziale Verhältnisse nur entstehen können, wenn die ganze Gemeinschaft – und damit kann auch die Weltgemeinschaft gemeint sein – sich in der Seele des Einzelnen spiegle."[12]
Da also die Verhältnisse nicht oder noch nicht so seien, fordern sie dazu auf, mögliche strukturelle Benachteiligung und Marginalisierung von kulturellen und ethnischen Gruppen in den Waldorfschulen zu finden und zu beseitigen – und im Unterricht sinnvoll zu behandeln.[13] Ein anderes Vorgehen gegenüber gesellschaftlich und auch in den Augen der Schülerinnen und Schüler derart brennende Themen kann ich mir als ehemaliger Geschichts- und Sozialkundelehrer auch kaum vorstellen. Nur so werden die jungen Menschen auf die gesellschaftliche Wirklichkeit außerhalb des Schulgrundstückes vorbereitet.
Auch wenn Bijan Kafi mit dem Beispiel einer katholischen Schule indirekt behauptet (S. 72), dass die Waldorfschulen mit den Problemen außerhalb ihrer »Blase« nichts zu tun hätten, geht es nicht nur darum, wie kulturell divers die Klassen sind, sondern auch darum, wie die Gesellschaft tatsächlich aussieht. Um es etwas zu überspitzen: Eine »Erziehung zur Blase« kann wohl kaum das Ziel einer seriösen Pädagogik sein. Eine echte Zeitgenossenschaft und eine Pädagogik, die zumindest dem Anspruch nach für alle gedacht ist und weltweit in Schulen wirksam ist, wird in jeder Weise die gesellschaftliche Entwicklung ihrer Zeit zu betrachten und in die Pädagogik zu integrieren haben – auch katholische Schulen. Dass in diesem Vorschlag von Rawson & Schmelzer aber ein »Durchregieren« und eine »verordnete Medizin« des »Bundes der Waldorfschulen« (S. 70) erkennbar sein soll, ist inhaltlich wie argumentativ schlichtweg absurd. Es steht nicht im Text, es steht nicht zwischen den Zeilen, es steht dort vielmehr explizit das Gegenteil.
Wenn Bijan Kafi also behauptet, dass sich das »Wesen der Waldorfpädagogik […] erst jenseits des Politischen« (S. 78f.) entfalte, sind zwei Aspekte zu benennen. Einmal fällt die Negativkonnotation des »Politischen« auf, mit dem er offenbar nichts zu tun haben möchte. Unabhängig davon, dass Rawson & Schmelzer tatsächlich von »Gesellschaft« sprechen und das Wort »Politik« im gesamten Essay überhaupt nicht vorkommt, irritiert auch hier die Vorstellung, dass Waldorfpädagogik nichts mit der Gesellschaft oder in Bijan Kafis Worten dem Politischen zu tun haben könne, ja damit »unvereinbar« sei, wie es im Untertitel seines Beitrags heißt. Auf der anderen Seite ist die direkte Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit der Welt aber die Grundvoraussetzung für ihr Weltverstehen. Dies wird in der Schule (mit-)initiiert und ist Teil des durch die Unterrichtenden begleiteten Individuationsprozesses, in dem der »ethische Individualismus« wachsen kann, wie es im IX. Kapitel der ›Philosophie der Freiheit‹ ausgeführt wird. Die Schule ermöglicht für die Heranwachsenden damit eine Suchbewegung und Orientierung in der Welt, also auch in der sie umgebenden Gesellschaft und ihrer Politik – und natürlich auch derjenigen anderer Regionen, Länder oder Kulturen. Diese Suche stellt eine signifikante Sehnsucht dar, und eine Sehnsucht nach dem Verstehen von Welt, ob nun fachlich, spirituell oder gesellschaftlich wie politisch. Diese als anthropologisch verstandene Annahme und Motivation der Heranwachsenden, sich der Welt zu stellen und sich durch die Inhalte zu entwickeln, auch moralisch, wird in der Waldorfpädagogik in Anlehnung an Rudolf Steiners Vortrag vom 21. Juni 1922 [14] als »latente Fragen« bezeichnet und bildet die Grundlage zumindest für die curricularen und methodischen Erwägungen für den Oberstufenunterricht.[15]
Dass Kafi diese Seite der Waldorfpädagogik nicht berücksichtigt, mag ihm als Mensch mit einer anderen Profession als der (Waldorf-)Pädagogik nachgesehen sein. Dass er allerdings ohne eine im Text erkennbare Kenntnis oder Rezeption der Schriften und Positionen von Albert Schmelzer und Martyn Rawson, zwei verdienten und in jeder Hinsicht praktisch wie wissenschaftlich ausgewiesenen Repräsentanten der Waldorfpädagogik »eine bemerkenswerte Unkenntnis wesentlicher Prinzipien der Waldorfpädagogik « vorwirft (S. 70), macht sprachlos.
Soweit zu den Ausführungen von Bijan Kafi. Allein die Offenlegung und Kritik inhaltlicher und argumentativer Mängel seiner Postulate wird jedoch nicht ausreichen, um die mögliche Bedeutung der Themen Marginalisierung, Diskriminierung, Rassismus u.s.w für die Waldorfpädagogik auszuloten. Im Folgenden sollen daher einige Aspekte paraphrasiert werden, um die Relevanz dieser und anderer »diesseitiger« Themen sowie die methodischen Grundlagen ihrer unterrichtlichen Erarbeitung und ihrer Intention zu verdeutlichen.
Unerlässliche Wandlungsfähigkeit
Dass sich die Waldorfpädagogik 1919 wie heute explizit dem Politischen stellen will und stellt, ist Teil ihres Gründungsimpulses.[16] Die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen haben sich seit 1919 massiv verändert, nicht aber der pädagogische und gesellschaftliche Anspruch als Gegenbewegung zu den vom Geist des Wilhelminismus durchdrungenen staatlichen Schulen, die Steiner nicht ohne Berechtigung als »Weltanschauungsschulen«[17] bezeichnete. Die Frage aber, was Waldorfpädagogik ist und welchem Zweck sie dient, wird in der pädagogischen Landschaft mit Recht unterschiedlich beantwortet werden, was auch darin liegt, dass sie bereits in den Anfängen als ein fluider Gedanke formuliert wurde und durch die Handelnden immer wieder neu gestaltet wird. Immerhin legt bereits Steiner als Impulsgeber der Waldorfpädagogik dar, dass die richtige Methode und die richtigen Inhalte sich schon einstellen würden, wenn die Unterrichtenden die Schülerinnen und Schüler nur richtig beobachten lernten[18] – und das bildet (erst einmal) den Kern der Waldorfpädagogik. Dieser oft ohnmächtig machende, weil überfordernde Ansatz liegt darin, dass die Menschenkunde Steiners – begrifflich aktueller: seine pädagogische Anthropologie – eine Blicklenkung darstellt, die es ermöglicht, die Bedürfnisse der Heranwachsenden zu erkennen oder wenigstens zu erahnen und auf dieser Grundlage curriculare und methodische Entscheidungen zu fällen, also den Unterricht zu planen. Mit anderen Worten: Die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler steht im Vordergrund der pädagogischen Arbeit und dies vollzieht sich im Umgang mit den Inhalten sowie derjenigen Form, in der diese Inhalte methodisch dargeboten und erarbeitet werden. Hierzu führt Michael Zech aus:
"Der Anspruch der Waldorfpädagogik ist demnach bis heute, Lehrinhalte und Lehrmethoden konsequent in den Dienst der Förderung der Individuation zu stellen und vom Lehrpersonal die Kompetenzen einzufordern, die Entwicklungsprozesse des Kindes verstehen und analysieren zu können, um so auf der Basis der eigenen Fach- und Methodenkompetenz und der realen Schülerbegegnung situativ angemessen das Unterrichtskonzept zu entwickeln."[19]
Mit anderen Worten: Die Schülerinnen und Schüler begegnen in der Schule entwicklungsgemäß der Welt mit dem Ziel, dass ihre Individuation durch die Begegnung und die Auseinandersetzung mit eben diesen Unterrichtsinhalten konstitutiv begleitet werden kann. Je nach Alter sieht dieser Prozess unterschiedlich aus. Nähere Ausführungen würden den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Aber die Waldorfpädagogik ist nicht allein eine Individuationsförderung um ihrer selbst willen, sie muss auch vor dem Hintergrund des Konzeptes des »ethischen Individualismus«[20] gedacht werden, wobei sich das Ethische bzw. »der moralische Begriff«[21] – so der Gedanke von Steiner – aus der phänomenologischen Betrachtung und Durchdringung der Sache selbst ergibt. Die waldorfpädagogisch ausgerichtete Phänomenologie bildet also die methodische Grundlage dafür, den Unterricht epistemologisch so zu gestalten, dass mit einem idealerweise universalienrealistischen Welt-Erkennen einhergehend[22] auch »moralische Begriffe« entstehen.
Die Waldorfpädagogik verfolgt also u.a. den Anspruch einer »Erziehung zur Freiheit«[23], deren ethisches Abbild aus der Sache hervorgeht und damit Teil des Welterkennens im Unterricht sein sollte. Nicht also kann und will hinsichtlich der Freiheit und ihrer Ethik von einer Idee oder ethischen Norm ausgegangen werden, wie Steiner es Immanuel Kant zuschreibt: »Der gerade Gegensatz dieses Sittlichkeitsprinzips ist das Kantsche: Handle so, daß die Grundsätze deines Handelns für alle Menschen gelten können. Dieser Satz ist der Tod aller individuellen Antriebe des Handelns.«[24] Steiners durchaus diskutable Kritik an Kants kategorischem Imperativ mag an dieser Stelle einmal ausgeklammert werden – methodisch hat er jedoch das, was er als den Gegensatz zu Kants »Sittlichkeitsprinzip« formuliert, ausführlich im bereits erwähnten IX. Kapitel der ›Philosophie der Freiheit‹ geschildert. Dies kann als Grundlage der ethischmoralischen Dimension des Fachunterrichtes, des damit verbundenen Individuationsprozesses und seiner pädagogischen Begleitung durch die Unterrichtenden verstanden werden. Und dies ist der Grund dafür, dass Steiner die Waldorfschule als »Methodenschule« gedacht hat – als Gegenpol zu den »Weltanschauungsschulen « des Fin den Siècle.[25] Letztere waren im postwilhelminischen Deutschland noch die Regel, nicht die Ausnahme, und folgten nach wie vor Bismarcks Diktum: »Wer die Schule hat, der hat die Zukunft.«[26]
Im Wechselspiel von Ich und Welt
Allerdings war es Steiner bereits bei der Niederschrift der ›Philosophie der Freiheit‹ wichtig zu betonen, dass die Menschen – hier würde man sagen die Schülerinnen und Schüler – ihren »ethischen Individualismus nur an und durch die Begegnung mit der Welt und damit durch die gesellschaftliche Wirklichkeit entwickeln« können, um nicht im sozialen Bewusstsein zu »verkümmern «. Dies setzt er wie folgt ins Bild:
"Es darf nicht die Formel geprägt werden, der Mensch sei dazu da, um eine von ihm abgesonderte sittliche Weltordnung zu verwirklichen. […] Aber so wie die Hörner nicht wegen des Stoßens da sind, sondern das Stoßen durch die Hörner, so ist der Mensch nicht wegen der Sittlichkeit da, sondern die Sittlichkeit durch den Menschen. Der freie Mensch handelt sittlich, weil er eine sittliche Idee hat; aber er handelt nicht, damit Sittlichkeit entstehe. Die menschlichen Individuen mit ihren zu ihrem Wesen gehörigen sittlichen Ideen sind die Voraussetzung der sittlichen Weltordnung. […] Der Staat, die Gesellschaft sind nur da, weil sie sich als notwendige Folge des Individuallebens ergeben. Daß dann der Staat und die Gesellschaft wieder zurückwirken auf das Individualleben, ist ebenso begreiflich wie der Umstand, daß das Stoßen, das durch die Hörner da ist, wieder zurückwirkt auf die weitere Entwicklung der Hörner des Stieres, die bei längerem Nichtgebrauch verkümmern würden. Ebenso müßte das Individuum verkümmern, wenn es außerhalb der menschlichen Gemeinschaft ein abgesondertes Dasein führte. Darum bildet sich ja gerade die gesellschaftliche Ordnung, um im günstigen Sinne wieder zurück auf das Individuum zu wirken."[27]
Auch wenn Steiner diese Zeilen nicht mit Blick auf die Pädagogik geschrieben hat, sind sie doch eine Grundlage derselben.[28] Deutlich wird, dass die Entwicklung eines »moralischen Begriffs « bzw. des »ethischen Individualismus« nicht ohne die Wechselwirkung von Ich und Welt entstehen, sich ein Ich nur durch ein Du bewusst konstituieren kann. Und das betrifft auch ein Sich-ins-Verhältnis-Setzen zu gesellschaftlichen Entwicklungen und (Reiz-)Themen wie der Klimakrise, dem Rassismus u.a. Es betrifft aber auch die individuelle Verortung innerhalb der Gesellschaft an sich: »Wo ist der Ort, an dem ich sein soll, sein will, an den ich gehöre?« Und dafür ist der Schutzraum Schule da: Die Welt kann entwicklungsgemäß kennengelernt werden, und die Heranwachsenden können sich langsam und übend verorten. Gesellschaftliche Themen können zunehmend individueller, mit einer sich autonomisierenden Urteilsbildung reflektiert sowie zu gegebener Zeit durch individuelles Handeln auch Tat werden. – Alles vor dem Hintergrund eines im Wechselspiel von Ich und Welt wachsenden Weltwissens, Individuationsprozesses und »ethischen Individualismus«. Damit ist die Waldorfpädagogik zumindest dem Anspruch nach schon 1919 eine Schule mit einer spezifischen methodischen Ausrichtung und (bei Gelingen) einer gesellschaftlich wirksamen Pädagogik, die mit beiden Füßen in der Welt steht, die mitten in der Gesellschaft – damit auch im Politischen – und in diese hineinwirken kann. So der Gründungsimpuls, so die Aufgabe der Waldorfschule als gesellschaftlich wirksame Einrichtung.[29]
Der geheime Lehrplan
Ein weiteres Thema, dem sich die Waldorfpädagogik auch hinsichtlich der Globalisierung, dem eurozentrischen Denken und von Diskriminierung bzw. Marginalisierung stellen muss, ist das Hidden Curriculum, also der verdeckte oder heimliche Lehrplan. Dieser wurde in der Pädagogik nur wenig erforscht und reflektiert, explizit auf die Waldorfpädagogik bezogen wurde das Thema bisher lediglich angemahnt und nur in einem noch im Redaktionellen stehenden Aufsatz behandelt.[30] Deshalb folgen hier einige Ausführungen hierzu, um dafür zu sensibilisieren, dass das Unausgesprochene, die unbewusste oder unterbewusste Haltung auch eine politische und gesellschaftliche Prägung in sich trägt, und das nicht nur in Ausnahmefällen. Haltungen, Glaubenssätze, kulturelle wie gesellschaftliche Prägungen sowie gesellschaftspolitische Positionen der Unterrichtenden fließen vielfach subtil, aber wirksam in den Unterricht ein. Das betrifft also auch solche Aspekte, deren Relevanz von Rawson & Schmelzer angemahnt wurden. Mit anderen Worten wäre für die Unterrichtenden individuell für sich zu überprüfen, inwiefern sie den oben bereits angesprochenen Realitäten und Anforderungen der postmigrantischen (und auch postkolonialen) Gesellschaft nachkommen, und inwiefern die Schulen dem institutionell gewappnet sind.[31]
Gabriele Kandzora benennt in ihrem grundlegenden und bis heute aktuellen Aufsatz zum Hidden Curriculum knapp und pointiert dessen Mechanismen[32] und stellt eine Verbindung her zwischen dem, was in der Schule passiert, und demjenigen, was in der Gesellschaft lebt und durch die Unterrichtenden wiederum in die Schule zurückstrahlt. Marianna Jäger und Cornelia Biffi kamen in einer der wenigen empirischen Untersuchungen zur Wirkung des nicht geschrieben Lehrplans in der ersten Klassen zu dem Ergebnis, dass die soziale Erziehung (als Teil des Hidden Curriculums) eine wesentlich höhere Wirkung hat als die im Lehrplan gesetzten Themen und Inhalte.[33] Das Hidden Curriculum bzw. der »geheime Lehrplan«, wie ihn Jürgen Zinnecker bezeichnete,[34] erscheint in Praxis und Forschungsliteratur also nach wie vor wie ein Phantom, obgleich er schon Mitte des 19. Jahrhunderts erkannt wurde. 1848 verwies Max Stirner auf das Problem einer ideologischen Manipulation durch die Schule mit dem Ziel, bestehende gesellschaftliche Strukturen zu erhalten, zu zementieren. Er schrieb:
"Wie in gewissen anderen Sphären, so lässt man auch in der pädagogischen Freiheit nicht zum Durchbruch, die Kraft der Opposition nicht zu Wort kommen: man will die Unterwürfigkeit. Nur ein formelles und materielles Abrichten wird bezweckt, und nur Gelehrte gehen aus den Menagerien der Humanisten, nur »brauchbare Bürger« aus denen der Realisten hervor, die doch beide nichts als unterwürfige Menschen sind."[35]
Dass Stirner 1848 aus einer oppositionellen Haltung heraus schrieb, mag die Radikalität der Formulierungen begründen, die Aussage selbst aber nicht weniger relevant erscheinen. 1926 hat Siegfried Bernfeld ausgeführt: »Das Schulwesen hat offenbar Wirkungen, die über den eigentlichen Unterricht hinaus reichen. Die Schule – als Institution – erzieht.«[36] Damit postuliert er, dass die Problematik des Hidden Curriculums nicht allein in einer institutionell (und natürlich auch personell) vorgegeben »heimlichen« Erziehung liegt, sondern die Schule als Institution zu einer Erziehung führt, die nicht in den Lehrplänen verankert ist. Damit ist sie nicht unmittelbar kontrollier- und überprüfbar – nach den Worten Stirners aber dezidiert gewollt, besonders in seiner subtilen, also unauffälligen Wirkungsweise.
Jetzt mag es einfach sein, sich als Waldorfpädagoge auf Steiners Abgrenzung gegenüber der »Weltanschauungsschule« auf der richtigen Seite zu wähnen, aber gerade darin liegt die tatsächliche Gefahr dieses Phänomens: Es findet (meist) unterbewusst statt und bedarf einer kritischen Reflexion der eigenen Positionen, der eigenen Haltungen, des eigenen Einflusses auf die Schülerinnen und Schüler. Aus diesem Grund führt also kein Weg daran vorbei, solche Muster erkennbar zu machen und ein waches Beobachten wie auch ein kritisches Denken bzw. Umdenken gegenüber den im eigenen Unterricht subtil wirksamen Narrativen, Kanones und Wertungen zu entwickeln – und zwar auch an Waldorfschulen. Selbst wenn sie dem Anspruch folgen, eine Alternative zur »Weltanschauungsschule« darzustellen, wie oben ausgeführt wurde, befreit es sie nicht davon, subtile Wertungen in sich zu tragen oder eine Gegen-Weltanschauung zu transportieren – auch wenn dies im Selbstverständnis der Waldorfpädagogik explizit nicht gewollt ist.
Gesellschaftlich oder individuell tradierte (Kultur-)Affinitäten sind also trotz einer bewussten Arbeit an der eigenen Individuation vielfach Teil einer Gewohnheits- und Identitätsbildung[37], womit das Gewohnte zum »Eigenen« und das Ungewohnte zum »Anderen«, zum »Fremden« werden kann und vielfach auch wird.[38] Dies kann als gesellschaftliche und kulturelle Prägung erfolgen, als eine Form des Zugehörigkeitsgefühls zu einer Gruppe oder als Orientierung an einer Weltanschauung. In der Unterrichtspraxis kann sich das »Gewohnte« verhärten und auf dem beschriebenen Weg sowohl in die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung wie auch in den Unterricht hineinfließen. Die Konsequenz ist oftmals eine schleichende Sklerotisierung der eigenen Gewohnheiten, von Weltbildern und Vorstellungen wie von Glaubenssätzen zur Legitimation des »Eigenen«, dessen Erschütterung als eine Verletzung der eigenen Integrität erlebt werden und entsprechend heftige Reaktionen hervorrufen kann. Auch aus diesem Grund ist der oben zitierte Vorschlag von Rawson & Schmelzer nicht nur sinnvoll, sondern kann auch schmerzhaft sein. Aber gerade deshalb ist er umso relevanter in einer Pädagogik, die für sich in Anspruch nimmt, in jeder Form integer zu sein. Wenn es dann gelingt, die eigene pädagogische Haltung – im Sinne des von Walter Benjamin geprägten Begriffes[39] – »fluide« zu halten und das Eigene, das Gewohnte im Verhältnis zum Ungewohnten ebenso zu reflektieren wie im Verhältnis zum Unbewussten, dann werden Verhaltensänderungen und neue Perspektiven möglich. Diese werden dann fernab jeder Ideologisierung eines »akademisch-aktivistischen Antirassismus« liegen und sich der Wirklichkeit inner- und außerhalb der Klassenzimmer stellen können – und ebenso dem methodischen Anspruch der Waldorfpädagogik.
Ermunterung zur Toleranz
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen liegt es durch die Methode zwar in der Waldorfpädagogik verankert, eine nicht-rassistische Grundhaltung anzulegen, jedoch bedarf es hierzu eines entsprechenden Bewusstseins gegenüber solchen als problematisch erkannten gesellschaftlichen Prägungen der Unterrichtenden und der strukturellen Ausrichtung der Schule, die im Schulalltag noch immer unbemerkt transportiert werden (könnten). Hierzu gehören institutionell beispielsweise Fragen nach einer inter- und transkulturellen Ausrichtung, der symmetrischen Haltung gegenüber dem eigenen kulturellen Selbstverständnis, und zwar im Verhältnis zu allen anderen Kulturen weltweit. Hinzu kommt die innere Struktur der Schule als Teil der Schülerorientierung, wie es Peter Schneider für die Waldorfschule umfassend dargelegt hat.[40] Zuletzt stellt sich dahingehend auch die Frage nach Entscheidungs- und Machtstrukturen innerhalb der kollegialen Selbstverwaltung, die sich, ebenfalls nach Schneider, auch auf die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler auswirken[41] und vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen auch als Teil des Hidden Curriculums verstanden werden können. Die Unterrichtspraxis betreffend stellt sich die Frage nach ihrer inhaltlichen und methodischen Ausrichtung und inwiefern Perspektiven von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund berücksichtigt und auch ihnen situations- und kulturadäquate Identifikations- und Entwicklungsangebote eröffnet werden können. Dies befähigt Schülerinnen und Schüler aus der vermeintlichen Mehrheitskultur dazu, die eigene Normalität als Zentrum der Weltwahrnehmung zu relativieren und das Ungewohnte zu etwas Gewohntem, zu etwas Eigenem zu machen. Oder mit den Worten von Nine Miedema und Andrea Sieber: »Die Entdeckung des Fremden im Eigenen relativiert die Selbstverständlichkeit, mit der das Eigene als die Norm akzeptiert wird und ermuntert zur Toleranz«[42] – und ermöglicht im Weiteren ein entsprechendes Kosmopoliten-Bewusstsein.[43] Die Frage, inwiefern bereits in der Schule angelegt wird, dass die globale Welt in den letzten Jahrhunderten kulturell, methodisch und thematisch zwar brutal europäisiert wurde, aber trotzdem in den unterschiedlichen Kulturen grundlegend unterschiedliche Weltanschauungen, Erkenntnismethoden oder inhaltliche Zugänge leben, wie es Christoph Wulf darlegt,[44] verweist ebenfalls in diese Richtung. Auch dies wäre Teil eines Unterrichtes, der die eigene »Blase« notwendig öffnet und zumindest im Ansatz eine Global Citizenship, eine kosmopolite Grundhaltung möglich macht – ohne die jeweils eigenen kulturellen Wurzeln zu ignorieren oder zu marginalisieren.
Eine wirksame und nicht kategorial erlernte, sondern im »moralischen Begriff« durch das Weltverstehen entstandene ethische Grundhaltung und ein daraus gewachsenes Bewusstsein gegenüber der Welt, respektive der gesellschaftlichen Wirklichkeit kann in der Waldorfpädagogik nur dann entstehen, wenn sich die Unterrichtenden den erkenntnistheoretischen Grundlagen einer waldorfpädagogisch ausgerichteten Phänomenologie stellen, die Schülerinnen und Schüler in ihren auch kulturellen und die Lebenswirklichkeit betreffenden Bedürfnissen erkennen, sich der eigenen inneren Haltung bewusst werden, um diese als unbewusst wirksame Erziehungsinstanz zu überwinden – institutionell wie individuell. So würde es möglich, die Schülerinnen und Schüler inhaltlich wie methodisch an die Welt heranzuführen, sodass sie diese (natürlich nur punktuell) durchdringen, sich an und mit den Themen entwickeln und gleichzeitig »moralische Begriffe« wachsen können. Damit wächst die Möglichkeit, wacher und bewusster Teil einer (sich zunehmend globalisierenden und polykulturell ausrichtenden) Gesellschaft zu werden, in die sie auf der Grundlage ihres sich konstituierenden »ethischen Individualismus« hineinwachsen und hineinwirken können. Das bezieht aber auch mit ein, sich den unbequemen und in der Gesellschaft bisweilen mit bedenklichen Blüten diskutierten Identitäts- und Rassismus-Themen u.a. zu stellen und sich mit ihnen auseinandersetzen.
Nur so wird es möglich sein, dass bei Kindern, die eingeschult werden, irgendwann einmal Herkunft, Hautfarbe und Kultur keine Relevanz mehr haben werden: für ihre Entwicklungmöglichkeiten, ihre Bildungschancen und ihre Freiheit – aber auch für die Freiheit der »Anderen«.
DR. FRANK STEINWACHS | Studium der Germanistik und Geschichte in Berlin und Konstanz. Nach dem Referendariat zwischen 2003 und 2005 war er bis 2022 Oberstufenlehrer für die Fächer Deutsch, Geschichte und Sozialkunde in Berlin und Hitzacker. Seit 2006 wirkte er als Dozent für Literatur- und Geschichtsdidaktik an verschiedenen Seminaren für Waldorfpädagogik, u.a. in Berlin, Hamburg, Kassel und Stuttgart. Seit 2020 ist er Dozent am Seminar für Waldorfpädagogik Hamburg. In seinem Forschungsschwerpunkt beschäftigt er sich mit der Jugendpädagogik, allgemeiner Didaktik sowie Geschichts- und Literaturdidaktik an Waldorfschulen.
[1] Behörde für Schule und Berufsbildung HH (2021): ›Allgemeinbildende Schulen – Wie viel Prozent der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund?‹ – www.hamburg.de/schuljahr-in-zahlen/4662018/sus-migrationshintergrund
[2] Sachverständigenrat der deutschen Stiftungen für Integration und Migration (Hrsg.): ›Doppelt benachteiligt? Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem. Eine Expertise im Auftrag der Stiftung Mercator‹, verantwortet von Cornelia Schu, Berlin 2016. – www.stiftung-mercator.de/content/uploads/2020/12/Expertise_Doppelt_benachteiligt.pdf
[3] Vgl. Iman Attia, Swantja Köbsell & Nivedita Prasta (Hrsg.): ›Dominanzkultur reloaded. Neue Texte zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen und ihren Wechselwirkungen‹, Bielefeld 2015.
[4] Alle dazu weltweit entstandenen Publikationen an dieser Stelle aufzuzählen wäre müßig. Zuletzt erschienen im deutschsprachigen Raum von Martyn Rawson: ›Dekolonisierung des Lehrplans als Lernweg‹, in: ›Journal für Waldorfpädagogik‹ (JfW) 4/2022, S. 6-31, und Frank Steinwachs: ›Postkoloniale und postmigrantische Perspektiven im Sprach- und Literaturunterricht an Waldorfschulen‹, in: RoSE Vol. 13, No. II (2022), S. 24-39.
[5] Werner Wintersteiner: ›Transkulturelle literarische Bildung. Die »Poetik der Verschiedenheit « in der literaturdidaktischen Praxis‹, Innsbruck, Wien & Bozen 2011, S. 9.
[6] Vgl. ders.: ›Poetik der Verschiedenheit. Literatur – Bildung – Globalisierung‹, Klagenfurt 2021, S. 1ff.
[7] Vgl. Hans-Jürgen Lüsebrink: ›Das Europa der Aufklärung und die außereuropäische koloniale Welt‹, Göttingen 2006.
[8] Vgl. Sebastian Wessels: ›Vorurteil plus Macht? Zur Inkohärenz des systemischen Rassismusbegriffs‹, in Andreas Stahl u.a. (Hrsg.): ›Probleme des Antirassismus. Postkoloniale Studien, Critical Whiteness und Intersektionalitätsforschung in der Kritik‹, Berlin 2022, S. 67.
[9] A.a.O., S. 67.
[10] A.a.O., S. 67, Anm. 1.
[11] Über die interne Dokumentation des Vereins ›Bildungseinrichtungen gegen Rechts‹, der entsprechenden Fachstelle vom BdfWS hinaus finden sich thematisch gebündelte Beiträge in JfW 3/2022 sowie unzählige Beiträge in der ›Erziehungskunst‹ nicht nur in Heft 11/2022, sondern auch zuvor. Eine Auflistung würde hier den Rahmen sprengen. – https://bildung-gegen-rechts.de
[12] Martyn Rawson & Albert Schmelzer: ›Bausteine für eine diverse und antirassistische Waldorfpädagogik‹, in: ›Erziehungskunst‹ 11/2022, S. 26.
[13] Vgl. Martyn Rawson & Frank Steinwachs: ›Waldorfschule, Globalisierung und postkoloniale Gesellschaften – Versuch einer Annäherung‹, Weinheim & Basel 2024 (in Vorbereitung).
[14] Enthalten in Rudolf Steiner: ›Erziehung und Unterricht aus Menschenerkenntnis‹ (GA 302a), Dornach 1993, S. 73-86.
[15] Vgl. Frank Steinwachs: ›«Latente Fragen« – eine Suchbewegung zwischen Ich und Welt‹, in Angelika Wiehl & Frank Steinwachs (Hrsg.): ›Studienbuch Waldorf-Jugendpädagogik‹, Bad Heilbrunn 2022, S. 43-54.
[16] Johannes Mosmann: ›Sind Waldorfschulen Weltanschauungsschulen?‹, in Rudolf Steiner: ›Wirtschaft und soziale Dreigliederung im Lehrplan der Waldorfschulen‹, hrsg. und kommentiert von Johannes Mosmann, Berlin 2013, S. 16-18; Volker Frielingsdorf: ›Waldorfpädagogik in der Erziehungswissenschaft‹, Weinheim & Basel 2012, S. 197f.
[17] Rudolf Steiner: ›Die geistig- seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst‹ (GA 305), Dornach 1991, S. 155.
[18] GA 302a, S. 82.
[19] M. Michael Zech: ›Der Waldorflehrplan. Curriculum, Lehrplan oder Rahmenrichtlinie?‹, in Jost Schieren (Hrsg.): ›Handbuch Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft. Standortbestimmung und Entwicklungsperspektiven‹, Weinheim und Basel 2016, S. 575.
[20] Vgl. Rudolf Steiner: ›Die Philosophie der Freiheit‹ (GA 4), Dornach 1995, S. 160f.; Stefan Leber (Hrsg.): ›Die Pädagogik der Waldorfschule und ihre Grundlagen‹, Darmstadt 1992, S. 25-34.; Fritz Götte: ›Erfahrungen mit Schulautonomie – Das Beispiel der Freien Waldorfschulen‹, Stuttgart 2006, S. 579ff.; aktueller M. Michael Zech: ›Die Gründungsidee der Waldorfschulen und das Problem der Schul- bzw. Lehrerautonomie im internationalen Kontext‹, in Heiner Barz: ›Unterrichten an Waldorfschulen. Berufsbild Waldorflehrer: Neue Perspektiven zu Praxis, Forschung, Ausbildung‹, Wiesbaden 2013, S. 30f., und Rudolf Steiner: ›Was ist eine »Freie« Schule?‹, hrsg. von Johannes Mosmann, Berlin 2015, S. 66f.
[21] GA 4, S. 160
[22] Vgl. Jost Schieren: ›Schluss – Urteil – Begriff. Die Qualität des Verstehens‹, in: RoSE, Vol. 1, No. II (2010), S. 15-25.
[23] Vgl. Karl-Martin Dietz: ›Freiheit oder Anpassung? Die Aktualität des ethischen Individualismus‹, Heidelberg 2001, S. 32.
[24] GA 4, S. 160.
[25] GA 305, S. 155.
[26] Egon von Bremen (Hrsg.): ›Die preußische Volksschule, Gesetze und Verordnungen‹, Stuttgart & Berlin 1905, S. 230.
[27] GA 4, S. 173f.
[28] Vgl. Stefan Leber (Hrsg.): op. cit., S. 25-34.
[29] Vgl. M. Michael Zech: ›Die Gründungsidee der Waldorfschulen und das Problem der Schul- bzw. Lehrerautonomie im internationalen Kontext‹, S. 30f.
[30] Vgl. Frank Steinwachs: ›»Hidden Curriculum«. Träger bewusster und unbewusster postkolonialer Haltungen‹, in: Frank Steinwachs & Martyn Rawson (Hrsg.): op. cit.
[31] Martyn Rawson & Albert Schmelzer: op. cit., S. 24.
[32] Gabriele Kandzora: ›Schule als vergesellschaftete Einrichtung. Heimlicher Lehrplan und politisches Lernen‹, in Bernhard Claußen & Rainer Geißler (Hrsg.): ›Die Politisierung des Menschen: Instanzen der politischen Sozialisation. Ein Handbuch‹, Wiesbaden 1996, S. 71.
[33] Vgl. Marianna Jäger & Cornelia Biffi: ›Alltagskultur in der ersten Primarschulklasse. Der erste Schultag‹, Zürich 2011.
[34] Jürgen Zinnecker: ›Der geheime Lehrplan‹, Weinheim 1975.
[35] Max Stirner: ›Das unwahre Prinzip unserer Erziehung‹, Basel 1926, S. 38f.
[36] Siegfried Bernfeld: ›Sisyphos der die Grenzen der Erziehung‹, Frankfurt a.M. 1973, S. 22.
[37] Vgl. Bernadette Müller: ›Identität. Soziologische Analysen zur gesellschaftlichen Konstitution der Individualität‹, Graz 2009, S. 77f.
[38] Vgl. Andrea Wilden: ›Die Konstruktion des Fremden. Eine interaktionistisch-konstruktivistische Perspektive‹, Münster u.a. 2013, S. 190ff.
[39] Vgl. Guido Pollak & Andreas Spengler: ›Bildung in fluider und poröser Konstellation, Adorno, Benjamin, Foucault und Bloch‹, in Manfred Oberlechner & Robert Schneider-Reisinger (Hrsg.): ›Fluidität bildet. »Pädagogisches Fluid« – Fluidität in Bildungsprozessen‹, Baden- Baden 2019, S. 39-56.
[40] Peter Schneider: ›Schülerorientierter Unterricht‹, in Jost Schieren (Hrsg.): ›Was ist und wie entsteht: Unterrichtsqualität an der Waldorfschule‹, München 2008, S. 33-56.
[41] Vgl. a.a.O., S. 33ff.
[42] Nine Miedema & Andrea Sieber: ›Einleitung‹, in dies. (Hrsg.): ›Zurück zum Mittelalter. Neue Perspektiven für den Deutschunterricht‹, Frankfurt a.M. 2013, S. 8f.
[43] Vgl. Werner Wintersteiner: ›Poetik der Verschiedenheit‹, S. 17f.
[44] Vgl. den verdienstvollen Band von Christoph Wulf: ›Bildung als Wissen vom Menschen im Anthropozän‹, Weinheim 2019.