Sieben Gründe warum Anthroposophie und Rechtsextremismus unvereinbar sind
Anthroposophie gegen Rechtsradikalismus: Fakten und Argumente
Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2022 zeigt, dass einerseits „geschlossene rechtsextreme Weltbilder“ in Deutschland rückläufig sind; insbesondere neonationalsozialistische Ideologien finden keinen offenen Zuspruch. Andererseits teilen 17 % aller Befragten ausländerfeindliche Ansichten und antisemitische Äußerungen. Auch die Ablehnung von Muslim:innen ist weiterhin verbreitet. Zugenommen hat laut Studie die Akzeptanz von Gewalt als Mittel der Politik. Anlass für eine inhaltliche Klarstellung: warum rechtsradikale Ideologien und Anthroposophie unvereinbar sind!
Grund #1
Die Philosophie und die Praxis der Anthroposophie fußen auf einer Weltanschauung der Freiheit und der individuellen Entwicklung des Menschen.
Sie tritt von Anfang an gegen Nationalismen auf. Als Freiheitsphilosophie wendet sie sich gegen jeden Kollektivismus. Sie lehnt Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus als inhuman ab. Diese Merkmale der Anthroposophie stehen jeder rechtsradikalen und ausländerfeindlichen Ideologie fundamental entgegen.
Grund #2
Mit der Idee der ‚geistigen Individualität‘ unterscheidet sich die Anthroposophie von reduktionistischen, rassistischen und identitären Menschenbildern.
Die Identität eines Menschen generiert sich aus seiner ‚geistigen Individualität‘. Diese ist individuell und allgemeinmenschlich zu verstehen, also weder kulturell-nationalistisch noch völkisch. Körperliche, soziologische oder kulturelle Merkmale definieren nicht die ‚geistige Individualität‘ und spielen für die Identitätsbildung nur eine nachgeordnete Rolle.
Grund #3
Politischer Extremismus und Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Hass werden in der Anthroposophie nicht toleriert.
Bereits 1923 (!) konnte jeder Mensch Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft werden – „ohne Unterschied der Nation, des Standes, der Religion, der wissenschaftlichen oder künstlerischen Überzeugung“. Eine bis heute fortschrittliche Position, die sich deutlich von denen völkischer und nationalsozialistischer Vereinigungen unterscheidet.
Auch heute gibt die Anthroposophie eine klare Antwort auf Rassismus und Nationalismus: So haben die Waldorfschulen in ihrer Stuttgarter Erklärung von 2007 (erneuert im Jahr 2020) eine unmissverständliche Position gegen Rassismus bezogen. Diese ist auch konsequent Grundlage ihrer täglichen Arbeit. Andere anthroposophische Institutionen haben sich dahingehend ebenfalls eindeutig positioniert.
Weiterführende Infos:
- Gründungsstatut der Anthroposophischen Gesellschaft: www.goetheanum.org/mitglieder/gruendungs-statut-1923
- Stuttgarter Erklärung der Waldorfschulen: www.anthroposophie-gegen-rassismus.de/stellungnahmen
Grund #4
Die Philosophie der Anthroposophie war für die Rechtsradikalen von jeher ein Feindbild.
Dem Nazi-Regime galt die Anthroposophische Gesellschaft beispielsweise als „staatsgefährdend“ und „international eingestellt“, sie unterhalte „Beziehungen zu ausländischen Freimaurern, Juden und Pazifisten“, so das Verbotsschreiben der NS-Staatssicherheit. Waldorfschulen verfolgten, so die Ansicht der Gestapo, „eine individualistische, nach dem Einzelmenschen ausgerichtete Erziehung, die nichts mit den nationalsozialistischen Erziehungsgrundsätzen gemein hat“. Deshalb wurden nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten auch Einrichtungen wie die Anthroposophische Gesellschaft oder Waldorfschulen verboten und geschlossen.
Grund #5
Anthroposophie und Rechtsradikalismus sind seit jeher Gegensätze.
Die Nazis versuchten schon früh, ein Attentat auf Rudolf Steiner zu verüben. Im Jahr 1922 entkam er nur um Haaresbreite dem Anschlag einer bewaffneten Gruppe völkischer Schläger. Daraufhin musste Steiner seine von einer (im Übrigen jüdischen) Agentur organisierte deutschlandweite und öffentlichkeitswirksame Vortragstournee abbrechen.
Weiterführende Infos:
- Wolfgang Vögele: Vor 100 Jahren. Ein Kampf auf Tod und Leben: https://www.anthroposophie-gegen-rassismus.de/blog/anthroposophie-zwischen-weltoffenheit-und-sektierertum
Grund #6
Die anthroposophische Philosophie und ihre Praxis stehen im Widerspruch zu radikalen Einstellungen und kollektivem Aktivismus.
Eine unüberschaubare Anzahl an Persönlichkeiten, Initiativen und Organisationen verfolgt heute im Rahmen der Anthroposophie einen lebensreformerischen und zivilgesellschaftlichen Ansatz, der selbstverständlich auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland steht. Für menschenfeindliche oder gar gewaltverherrlichende Meinungen sowie rechtsradikale Aktivitäten findet sich hier kein Platz.
So zeigt beispielsweise eine Untersuchung von Prof. Dr. Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Landesinstitut Niedersachsen von 2007, dass Waldorfschüler:innen deutlich weniger anfällig sind für Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus als Schüler:innen anderer Schultypen in Deutschland.
Weiterführende Infos:
- Info3: Über vermeintlich erhöhte Gewalt an Waldorfschulen: https://info3-verlag.de/juni-2023/fake-news-ueber-waldorfschulen/
Grund #7
Im Zentrum der anthroposophischen Philosophie und Praxis stehen – im klaren Gegensatz zu kollektivistischen Ideologien – die freie Entfaltung jeder Individualität und die Verantwortungsübernahme aus Einsicht.
Beides wird durch entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen gefördert. Diese sind:
- die Freiheit von Wissenschaft, Kunst und Religion sowie der Meinungsäußerung als hohes Gut einer offenen Gesellschaft,
- demokratische sowie wertegebundene verfassungsrechtliche Grundsätze als Grundlage für das Zusammenleben in einem pluralistischen und demokratischen Gemeinwesen sowie
- eine globale, solidarische und nachhaltige Wirtschaft.
Weitere Infos
FAQs: www.anthroposophie-gegen-rassismus.de/faqs
Stellungnahmen: www.anthroposophie-gegen-rassismus.de/stellungnahmen
Gründungsstatut der Anthroposophischen Gesellschaft: www.goetheanum.org/mitglieder/gruendungs-statut-1923
Zusammengestellt von Matthias Niedermann (Kommunikation)
niedermann @anthroposophische-gesellschaft.org