Stellungnahme: Gegen Rechtsextremismus und für Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Pluralismus und Kosmopolitismus
Die Biodynamische Bewegung steht für Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Pluralismus und Kosmopolitismus und distanziert sich klar von Extremismus und menschenfeindlichen Bestrebungen. Stellungnahme des Demeter e.V., der Biodynamic Federation – Demeter International e.V. und des Goetheanums – Sektion für Landwirtschaft
Ankündigung einer Studie
Die Biodynamische Bewegung entstand 1924 nach einer Vortragsreihe Rudolf Steiners zur Landwirtschaft und ist heute in Deutschland im Demeter e.V. und darüber hinaus weltweit vielfältig organisiert. Demeter ist damit nicht nur der einzige Öko-Landbauverband, dessen Geschichte bis vor den zweiten Weltkrieg zurückreicht, sondern war auch eine wesentliche Wiege des Ökolandbaus. Die von der biodynamischen Bewegung entwickelten Grundsätze des möglichst geschlossenen, individuellen und vielgestaltigen Betriebsorganismus sind bis heute das Ideal für den gesamten Ökologischen Landbau.
Aufgrund einiger weniger diskriminierender und damit aus heutiger Sicht inakzeptablen Aussagen im umfangreichen Werk Rudolf Steiners wird der Anthroposophie und der biodynamischen Landwirtschaft von einzelnen Kritiker*innen eine Nähe zu rassistischem und völkischem Gedankengut unterstellt.
Während der Nazi-Herrschaft gab es bekannte Verbindungen einzelner Protagonisten der frühen biodynamischen Bewegung mit dem nationalsozialistischen Regime und der völkischen Bewegung. Darüber, welcher Art diese Verbindungen genau waren und wie stark darin auch unsere Vorläuferorganisationen verwickelt waren, haben wir kein kontextualisiertes und gesichertes Wissen.
Im Folgenden wollen wir drei Sachverhalte differenziert betrachten:
- Aussagen zum Thema „Rasse“ im Werk Rudolf Steiners
- Die Rolle von Vertreter*innen der biodynamischen Bewegung zur Zeit des Nationalsozialismus
- Positionierung der biodynamischen Bewegung und ihrer Organisationen heute
1. Aussagen zum Thema „Rasse“ im Werk Rudolf Steiners
Obwohl das sehr umfangreiche Werk des Begründers der Anthroposophie, Rudolf Steiner, einige wenige Aussagen enthält, die aus heutiger Sicht klar als diskriminierend einzuordnen sind, kann das Gesamtwerk Rudolf Steiners als Ganzes keineswegs als rassistisch eingeordnet werden. Das ist das Ergebnis, zu dem eine niederländische Untersuchungskommission kam.[1]In ihr wird ausgeführt: „Unterstellungen, Rassismus wäre der Anthroposophie inhärent… haben sich als kategorisch unrichtig erwiesen.“ Vielmehr steht im Mittelpunkt der anthroposophischen Philosophie der Wert und die Entwicklung jedes einzelnen Menschen, individuelle Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung sowie Kosmopolitismus.
Ebenso wandte sich Steiner gegen jede Form des Extremismus und trat ab 1918 bis zu seinem Tod 1925 mit seiner Idee der „Dreigliederung des Sozialen Organismus“ vehement für den Aufbau einer freiheitlichen und pluralistischen Demokratie ein.[2]Er wandte sich in diesen Jahren gegen das aufkommende nationalistische, rassistische, antisemitische und eugenische Denken. In einem Vortrag sagte Steiner 1917: „Und so sehen wir, dass gerade im 19. Jahrhundert ein Pochen auf Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge beginnt, und dass man von diesem Pochen als einem idealistischen spricht, während es in Wahrheit der Anfang ist einer Niedergangserscheinung der Menschen, der Menschheit.“[3]Und noch in einem seiner letzten Vorträge, im September 1924, sagte er: „Das ist ja etwas Furchtbares, wie heute die Menschen hineinstreben in Rasse und Völker und wie sie allen Kosmopolitismus im Grunde begraben wollen.“[4]
2. Die Rolle von Vertreter*innen der biodynamischen Bewegung zur Zeit des Nationalsozialismus
Aufgrund der individualistischen und freiheitlichen Ausrichtung wurde die Anthroposophie vom NS-Regime als unvereinbar mit dem nationalsozialistischen Gedankengut eingestuft, die Vorgängerorganisationen der heutigen Verbände, der Reichsverband biodynamischer Landbau und der Versuchsring für Biodynamische Wirtschaftsweise, wurden ebenso, wie alle anderen anthroposophischen Organisationen, verboten. Nichtsdestotrotz hatten anthroposophische Ideen auch einige Anhänger unter führenden Nationalsozialisten, und es wurden Elemente des biodynamischen Landbaus in nationalsozialistischen Konzepten, wie beispielsweise der „lebensgesetzlichen Landwirtschaft“, aufgegriffen.
Wie bereits durch einige Studien bekannt geworden ist, gab es Persönlichkeiten in der biodynamischen Bewegung, die in engem Kontakt mit Nationalsozialisten bis in die obersten Hierarchieebenen standen, Gemüsegärten in Konzentrationslagern wurden biodynamisch bewirtschaftet und auf der Titelseite der damaligen biodynamischen Fachzeitschrift „Demeter“ wurde dem „Führer“ zum Geburtstag gratuliert. Ob dies aus Überzeugung geschah oder aber, um die gerade aufkeimende Biodynamische Wirtschaftsweise in schweren Zeiten zu retten, ist für uns bisher in keinem Fall wirklich nachvollziehbar. Betrachtet man das bisherige – lückenhafte – Wissen über Protagonist*innen der biodynamischen Bewegung in der NS-Zeit, so liegt nahe, dass es – wie in den meisten anderen gesellschaftlichen Gruppen auch – in der NS-Zeit innerhalb der anthroposophischen Bewegung sowohl Widerstandskämpfer und Menschen, wie die Ärztin Ita Wegmann, gab, die jüdischen Mitmenschen oder anderen Verfolgten das Leben gerettet haben[5]. Genauso aber auch Mitläufer und Lobbyisten, die versuchten, das, was sie aufgebaut hatten, zu retten. Eventuell gab es aber auch überzeugte Mittäter.
Da das Wissen über biodynamische Protagonist*innen in der Zeit sowie mögliche Verflechtungen mit dem Nationalsozialismus bisher sehr lückenhaft ist, gehen der Demeter e.V., die Biodynamic Federation – Demeter International e.V. und das Goetheanum – Sektion für Landwirtschaft gemeinsam der Frage nach, ob und wie sich einzelne Vertreter oder Organisationen aus dem anthroposophischen Lebensfeld Biodynamische Landwirtschaft/Demeter mit dem nationalsozialistischen Herrschaftsregime gemein gemacht haben. Unser Ziel ist es, Transparenz herzustellen und uns der historischen Verantwortung zu stellen. Dazu wurde ein sozial-historisches Forschungsprojekt beauftragt, das unabhängig und nach wissenschaftlichen Standards die Frage klären soll, welche widerständigen Aktivitäten, welche Form des Opportunismus es aus den Reihen der biodynamischen Bewegung gab und ob es Protagonisten gab, die Überzeugungstäter waren und sich durch ihr Handeln mitschuldig gemacht haben.
Das Projekt wird von einem erfahrenen interdisziplinären Forschungsteam durchgeführt und einem Beirat aus Fachwissenschaftlern mit entsprechender Expertise begleitet. Die Ergebnisse sollen bis 2024 vorliegen und allgemein zugänglich veröffentlicht werden.
3. Positionierung der biodynamischen Bewegung und ihrer Organisationen heute
Der Demeter e.V. in Deutschland, der internationale Dachverband der biodynamischen Bewegungen und Demeter-Verbände, die Biodynamic Federation – Demeter International und die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft als Rechtsträger der Landwirtschaftlichen Sektion sind demokratisch und partizipativ verfasst. In ihren Satzungen und Stellungnahmen ist festgehalten, dass sie rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegentreten. Sie wenden sich darüber hinaus auch gegen Bestrebungen, die die ökologische Lebensmittelwirtschaft mit extremistischem Gedankengut verbinden.
Die Würde von Mensch und Natur ist ein zentraler Gedanke im Leitbild der über alle Kontinente und Religionen verbreiteten biodynamischen Bewegung. Der Demeter e.V. sowie die Biodynamic Federation – Demeter International formulieren in ihrem Leitbild ihren demokratischen Anspruch und das Ziel, in Würde, wertschätzend, tolerant und respektvoll miteinander zu arbeiten. Diese Haltung fußt auf dem Anspruch der Anthroposophie, der Quelle des Bio-dynamischen, die Individualität des Menschen zu entwickeln und zeigt sich in den Kernwerten der Verbände und der Landwirtschaftlichen Sektion, die neben Nachhaltigkeit auch Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Ganzheitlichkeit umfassen.
Um diese Werte umfänglich leben zu können oder zu erreichen, verstehen wir Geschichte als Archiv des Lernens. Wir sehen die in Auftrag gegebene Studie als wichtigen Schritt an, um mehr Licht in die Geschichte unserer Organisationen zu bringen und daraus auch für unsere zukünftige Arbeit zu lernen.
Gerade heute, wo viele rechtsextreme Akteure wie völkische Siedler versuchen, mit einem Engagement in Naturschutz und Ökolandbau gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen, ist es wichtiger denn je für Verbände des Ökolandbaus, genau hinzuschauen und sich klar von diesen Gruppen abzugrenzen.
Demeter e.V. Biodynamic Federation – Demeter International e.V.
Goetheanum – Sektion für Landwirtschaft
im Oktober 2020
[1] Ted A. van Baarda (Hrsg.): Anthroposophie und die Rassismus-Vorwürfe. Der Bericht der Niederländischen Un- tersuchungskommission „Anthroposophie und die Frage der Rassen“. Frankfurt a. M., 5. Aufl. 2009.
[2] [2] Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der Sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft. Rudolf Steiner Verlag, Dornach. 5. Auflage. 2014.
[3] Rudolf Steiner: Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis. GA 177. Rudolf Steiner Verlag, Dornach. S. 204 ff. 7. Auflage. 2020.
[4] Rudolf Steiner: Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken. GA 346. Rudolf Steiner Verlag, Dornach, S. 206. 2001.
[5] Peter Selg: Rudolf Steiner, die Anthroposophie und der Rassismus-Vorwurf: Gesellschaft und Medizin im totalitären Zeitalter. S. 147ff. und S. 170ff. Verlag des Ita Wegmann Instituts. Arlesheim. 2020.