Nein. Seine elterliche Familie war katholisch, wenngleich er zumindest den Vater eher als Freigeist schildert, der kaum je zur Kirche ging.
Immerhin war der junge Rudi eine Zeitlang Messdiener in der Dorfkirche. Als ihn dies aber der Gefahr aussetzte, gelegentlich vom Pfarrer Prügel zu beziehen, griff der Vater sofort ein und schob der „Kirchendienerei“ einen Riegel vor: „Du gehst mir nimmer hin.“
Diese klaren Tatsachen hinderten Steiners Gegner nicht daran, später anderes zu behaupten, um ihm zu schaden. Schon 1908 verbreitete ein Jesuitenpater, Steiner sei in Wahrheit Jude. In den folgenden Jahren wurde dies von rechtsradikalen und völkischen Kreisen ständig wiederholt, weil es (in einer Zeit starker antisemitischer Stimmungen) ein wirkungsvolles Mittel war, um ihn zu diskreditieren. Steiner reagierte immer völlig souverän und antwortete sinngemäß: Wäre er Jude, wäre ihm dies auch recht, denn er lege in dieser Hinsicht „keinen Wert auf meine Abstammung“. Nur sei es eben sachlich falsch.
Man könnte es durchaus symptomatisch finden: Damals behaupteten Steiner-Gegner, er sei Jude; heute, wo diese Zuschreibung nicht mehr als Diffamierung taugt, wird ihm von manchen quasi das Gegenteil vorgeworfen und sie nennen ihn einen Antisemiten. Falsch ist beides. Es sind Unterstellungen, die einiges über Steiners ideologische Gegner aussagen, aber nichts über ihn selbst.
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Wolfgang Müller